Neue Erkenntnisse zu Zelltypen und deren Wechselwirkungen bei Multipler Sklerose
/ via universitätsklinikum heidelberg /
„Unsere Ergebnisse liefern wertvolle Daten über die zelluläre Zusammensetzung und die Wechselwirkungen zwischen diesen Zellen in bestimmten Gewebenischen, die einen Einfluss auf das Fortschreiten der Läsion bei der MS haben“, erklärt Professor Schirmer und ergänzt: „Mit diesem Wissen eröffnen sich neue therapeutische Ansätze, mit denen wir den Krankheitsverlauf verlangsamen können“.
Bei der Multiple Sklerose greift das Immunsystem das Nervengewebe an und verursacht bleibende Schäden. Dabei breitet sich die Krankheit fortschreitend immer weiter aus. Es bilden sich multiple Läsionen in unterschiedlichen Regionen des Nervensystems, die zunächst entzündlich sind und im Laufe der Zeit in chronische, nicht mehr entzündliche Formen übergehen. Charakteristisch ist ein sogenanntes chronisch-aktives Zwischenstadium, in dem die Läsionen von einem entzündeten Rand umgeben sind, in dem sich oft Eisenablagerungen finden, die darauf hindeuten, dass Reparaturmechanismen fehlen.
Um die Zellen und Signalwege in den geschädigten Bereichen genauer zu untersuchen, setzte das Team modernste räumliche und Einzelzellkern-Transkriptom-Techniken ein, begleitet von bioinformatischen Analysen.
Dabei fanden sie heraus, dass sich der Rand und das Zentrum der Läsionen substanziell in Bezug auf die Zellzusammensetzung unterschieden. So entdeckten sie etwa im Zentrum der Gewebeschäden einen besonderen Zelltyp von Astrozyten, Stützzellen des Nervensystems, die Zellfortsätze, sogenannte Zilien auf ihrer Oberfläche tragen. Im Rand der Läsionen wiederum zeigten sich Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Zelltypen, die zum Entstehen und Fortschreiten der Läsionen beitragen. Diese bieten mögliche Ansätze, wie Kommunikationsprozesse zwischen den Zellen gezielt beeinflusst werden könnten.
„Die Forschung zeigt eindrucksvoll, wie unterschiedlich die Zellumgebungen in verschiedenen Stadien der MS-Läsionen sind“, erklären die Erstautoren der Studie Celia Lerma Martin und Pau Badia i Mompel.
„Das tiefere Verständnis dieser Interaktionen wird uns helfen, gezielte Therapien zu entwickeln, die auf spezifische Zelltypen und ihre Kommunikation in bestimmten Gewebenischen abgestimmt sind“, ergänzt Professor Schirmer. Für die Analyse der großen Datensätze waren rechenintensive Methoden erforderlich. „Die Entwicklung und Anwendung komplexer bioinformatischer Skripte war entscheidend, um die großen Transkriptom-Datensätze auswerten zu können“, betont Professor Saez-Rodriguez.
Die Arbeit wurde in der Sektion Neuroimmunologie der Neurologischen Klinik der UMM unter der Leitung von Prof. Schirmer an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg durchgeführt, in enger Zusammenarbeit mit dem Institute for Computational Biomedicine unter der Leitung von Prof. Saez-Rodriguez an der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Es bestanden außerdem Kooperationen mit weiteren Arbeitsgruppen in Wien, Heidelberg und Mannheim.