Zentrale Weichenstellungen für Solidarität und Zusammenhalt vornehmen und zügig ins Handeln kommen! – Der Paritätische
/ via der paritätische /
Zu den Ergebnissen der Sondierung zwischen CDU, CSU und SPD erklärt der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes e.V., Dr. Joachim Rock:
„Der Koalitionsvertrag wäre eine gute Gelegenheit, um ein Signal an alle auszusenden, die sich gemeinnützig, ehrenamtlich in der Freien Wohlfahrt, in NGOs in der Zivilgesellschaft für die Demokratie engagieren, etwa so: ‚Wir, Union und SPD, schätzen euren Einsatz auch dann, wenn er mit Kritik an Regierungshandeln verbunden ist. Wir wissen, dass die Zivilgesellschaft einen wichtigen Beitrag zu dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und für eine lebendige Demokratie leistet, deshalb wollen wir gemeinnützige Arbeit in Wohlfahrt und Zivilgesellschaft ausreichend fördern und unterstützen.‘ Eine vergleichbare Formulierung fehlt in den Ergebnissen der Sondierung bisher. Für die weiteren Verhandlungen wäre es ein wichtiges Signal für alle demokratisch Engagierten in Deutschland!
Wohnen macht arm. Von Renten und Löhnen bleibt wegen steigender Wohnkosten zunehmend weniger zum Leben übrig. Eine Studie des Paritätischen ermittelte erst kürzlich, dass allein durch die hohen Wohnkosten 5,4 Millionen Menschen zusätzlich in Armut leben. Umso auffälliger ist, dass das Sondierungspapier beim Thema Mieterschutz extrem zaghaft ist. Eine schlichte Verlängerung der Mietpreisbremse in ihrer jetzigen Form wird dem Ernst der Wohnarmut nicht gerecht. Vielmehr gehört sie dauerhaft entfristet und geschärft, insbesondere ihre Schlupflöcher bei Kurzzeitvermietung und bei möbliertem Wohnraum gehören abgeschafft. Zum Ausbau des sozialen Wohnungsbaus und einer Entfristung der Sozialbindung braucht es zudem verbindliche Aussagen.
Die Hinweise zu einer neuen Grundsicherung sind keine Fortentwicklung des bisherigen Systems, sondern schlicht einer Rückabwicklung des Bürgergelds. Das betrifft auch wichtige Errungenschaften, die mit dem Bürgergeld verbunden waren. Die Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs bedeutet, dass die kurzfristige Vermittlung in irgendeine Tätigkeit ausgerechnet in Zeiten des Arbeits- und Fachkräftemangels Vorrang vor Qualifizierung und langfristiger, sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bekommt. Die noch weitere Verschärfung der Sanktionen bis hin zum völligen Verlust von Leistungen würde mittelbar auch Haushalte mit Kindern treffen und Menschen aus der Grundsicherung treiben. Stattdessen muss es darum gehen, Menschen in gesicherte Arbeit, nicht nur aus der Statistik zu bekommen.
Punkte wie ein Startchancenprogramm für die Kita, frühe Berufsorientierung für verbesserte Übergänge zwischen Schule und Beruf und die Verhinderung von Schulabbrüchen sind im Einzelnen zu begrüßen, werden den Herausforderungen von Kindheit und Jugend in Deutschland aber nicht gerecht. Eine Zukunftssicherung für junge Menschen sieht anders aus. Die Abschaffung von Kinderarmut, die umfassende Ermöglichung gleicher Teilhabechancen und eine zukunftssichernde Klimapolitik ist das, was junge Generationen brauchen. Gleichstellungspolitisch kommen wir mit einer einheitlichen Mütterrente und einem jährlichen Familienbudget für Alltagshelfer nicht voran. Lohnangleichungen zwischen Frauen und Männern sollen geprüft werden. Hier fehlt der gemeinsame politische Wille, Gleichstellung wirklich umzusetzen.
Die Barrierefreiheit im privaten und öffentlichen Bereich auszubauen und die Arbeitsaufnahme von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern, ist wichtig und sinnvoll. Aber zu einer inklusiven Gesellschaft würde gehören, Menschen mit Behinderungen auch ganz konkret in die Lage zu versetzen, ihr Leben selbst zu gestalten. Zu diesem Zwecke müssten sich Union und SPD noch einmal mit dem Bundesteilhabegesetz befassen, dass noch immer nicht zufriedenstellend umgesetzt ist.
Mit nur drei Zeilen werden die Themen Pflege und Gesundheit unter weiteren ausgewählten Vorhaben im Sondierungspapier von Union und SPD genannt. Angesichts der enormen Herausforderungen in diesen Bereichen darf das nicht zufrieden stellen. Jetzt gilt es, dass die Arbeitsgruppen diesen Platzhalter in den Koalitionsverhandlungen konkret ausbuchstabieren und zwar im Sinne einer solidarischen Finanzierung des Gesundheits- und Pflegewesens für eine diskriminierungsfreie Versorgung für alle.
Zu einer Politik für zukünftige Generationen gehört, dass alle Menschen Zugang zu einer gut ausgebauten und verlässlichen sozialen Infrastruktur erhalten müssen. Klimaschutz und -anpassung müssen einen viel größeren Stellenwert haben. Dafür brauchen wir heute Investitionen, vor allem auch in den gemeinnützigen Bereich.
Durch die zahlreichen vereinbarten Verschärfungen im Bereich Migration werden Menschenrechte beschnitten und die europäische Zusammenarbeit bedroht. Wer Schutzsuchende als irreguläre Migrant*innen zurückweist und gleichzeitig legale Fluchtwege wie den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten oder humanitäre Aufnahmeprogramme aussetzt, provoziert nicht nur Konflikte und einen verheerenden Domino-Effekt innerhalb der Europäischen Union, sondern verletzt damit auch fundamentale Menschenrechte und trifft damit besonders Schutzbedürftige wie Frauen und Kinder.
In den Koalitionsverhandlungen müssen wichtige Weichenstellungen vollzogen werden. Umso wichtiger ist, in einer Zeit wachsender sozialer und politischer Spaltungen Solidarität und sozialen Zusammenhalt zu fördern. Die Verhandelnden tragen dafür eine große Verantwortung.“