Forschung: Pädagogische Hochschule Heidelberg
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Der Weg zur Doktorarbeit ist lang und manchmal geben Promovierende vorher auf. Dagegen helfen kann eine bessere Kommunikation zwischen Doktorand:innen und ihren Betreuer:innen, ist die angewandte Linguistin Professorin Dr. Elke Stracke überzeugt, die an der Universität Canberra (Australien) dazu forscht. An der PH Heidelberg führte sie mit Dr. Nicole Flindt, Leiterin der Graduate School, einen Workshop zum „Feedback zwischen Betreuenden und Promovierenden“ durch. Die Veranstaltung war der Start für ein Projekt, in dem Elke Stracke und Nicole Flindt gemeinsam zur Verbesserung von Promotionsprozessen forschen werden.
Frau Stracke, Sie forschen unter anderem dazu, wie Feedback zwischen Promovierenden und Betreuer:innen gelingen kann – was interessiert Sie als Angewandte Linguistin daran?
Prof. Dr. Elke Stracke: Angewandte Linguist:innen interessieren sich im weitesten Sinne für alle Situationen, in denen Sprache eine Rolle spielt und funktioniert, oder eben auch nicht. Das ist mein Ausgangspunkt: Wie kommunizieren Betreuer:innen und Doktorand:innen miteinander und wo gibt es Probleme?
Ich forsche dazu seit 20 Jahren. Beispielsweise haben wir schriftliche Kommentare in Entwürfen von Doktorarbeiten analysiert und fanden das gegebene Feedback pädagogisch gesehen oft wenig hilfreich. Aussagen wie „Nochmal schreiben“ oder „Das Sprachniveau ist nicht angemessen“ sind kein konstruktives Feedback, das Lernende dabei unterstützt, sich weiterzuentwickeln. Andere Betreuer:innen korrigieren die Texte mit Trackingmodus oder verwechseln die Betreuung mit einer Prüfungssituation.
Frau Flindt, interessiert Sie das Thema als Leiterin der Graduate School der PH Heidelberg oder aus der Forscherinnen-Perspektive?
Dr. Nicole Flindt: Beides! Als Forscherin interessiert mich die Neurodidaktik, die Erkenntnisse der Neurowissenschaft nutzt, um Lehren und Lernen zu optimieren. In der Graduate School der PH Heidelberg begleiten wir den wissenschaftlichen Nachwuchs der Hochschule, forschen wissenschaftlich dazu und sind immer interessiert, die Qualität des Promotionsprozesses zu verbessern. Elke Stracke und ich denken hier Struktur und Forschung zusammen, denn (Organisations-)Strukturen lassen sich nur verändern, wenn wir wissen, wo es Entwicklungsbedarf gibt.
Stracke: Ich war und bin noch in der Ausbildung Promovierender tätig und denke auch, dass Forschung und Strukturveränderungen Hand in Hand gehen sollten.
Flindt: So wurden wir uns einig, gemeinsam in die vergleichende Promovierendenforschung einzusteigen. Wir wollen Impulse für strukturelle Veränderungen für beide Hochschulen geben.
Das richtige Feedback von Betreuer:innenseite war ein Punkt Ihres Workshops. Welche Tipps hatten Sie für Promovierende?
Flindt: Es ging darum, gegenseitige Erwartungen sichtbar zu machen. Gerade bei der Kommunikation der Promovierenden mit ihren Betreuer:innen fällt auf, dass beispielsweise viele Promovierende einseitig und unterschwellig erwarten, dass Betreuer:innen genaue Vorgaben zu Thema oder Methodik machen. Dabei ist die Promotion als eigenständige Arbeit zu sehen und die Promovierenden können und sollen z.B. das Thema und die Methodik entwickeln – im Austausch mit den Betreuer:innen.
Stracke: Die Rollen verändern sich im Laufe des Prozesses. Am Ende sollen die Promovierenden die Expert:innen für ihr Thema sein – sonst hätten sie keinen neuen Beitrag zur Wissenschaft geleistet. Um mehr Klarheit zu schaffen, haben wir ein „Feedback Expectation Tool“ (FET) entwickelt, das die Erwartungen der Promovierenden und der Betreuer:innen sichtbar macht.
Flindt: Das FET-Tool wird bereits in elf Ländern angewandt und nun hoffentlich auch bald bei uns an der PH. Wir haben im Bereich der Promotion weltweit an Hochschulen unterschiedliche Strukturen. Es wird spannend, wie sich diese auf die Kommunikation auswirken.
Was sind typische Landesunterschiede bei Promotionen?
Flindt: Deutschland hat einen hohen Anteil sogenannter Individualpromotionen; andere Länder sind z.B. stärker in Graduate Schools organisiert oder der Promotionsprozess hat mehr Vorgaben. In Deutschland ist bei Promotionsprozessen oft weniger formell festgelegt, welche Leistungen verpflichtend während der Promotionsphase erbracht werden müssen als z.B. in Mexiko. Dort bin ich auch Betreuerin einer Doktorandin und erfahre gerade hautnah, wie anders dort auch die Strukturen sind – sie muss mehrfach vor einer Kommission ihre Promotionsfortschritte im Laufe ihrer Dissertation verteidigen.
Stracke: In Australien gibt es auch starke Strukturen und Vorgaben, aber viele Angebote für Promovierende, die dann zum Großteil freiwillig sind.
Flindt: Es ist nicht das eine oder andere Konzept besser – wir versuchen, die jeweiligen Schätze zu heben.
Es gibt auch viele interkulturelle Betreuungsverhältnisse – liegt hier Konfliktpotenzial?
Stracke: Als Herausforderung habe ich unterschiedliches „hierarchisches Denken“ erlebt. Promovierende anderer Kulturen kommen oft mit der Erwartung nach Australien, dass ich sage, wo es lang geht – es geht aus meiner Sicht aber eher darum, Nachwuchsforschende zur Selbständigkeit zu führen.
Flindt: Meist sind Konflikte aber sehr individuell und nicht ländertypisch.
Inwiefern hat die Diversität zugenommen?
Flindt: Schon die Kulturen der unterschiedliche Fächer unterscheiden sich. Zudem werden die Formate zunehmend digitaler, Promovierende kommen auch aus der Praxis zurück an die Hochschule und damit wird es diverser. Insgesamt erleben wir ja an den Hochschulen auch einen Generationenwechsel der Studierenden und Promovierenden. Die Frage ist: Was braucht diese neue Generation und wie bereiten wir Betreuer:innen darauf vor? Die Forschungsseite hat sich damit bisher wenig damit beschäftigt.
Stracke: Wir haben in Australien viele ältere Promovierende, die mit 20 Jahren Berufserfahrung an die Universität zurückkehren. Die haben wieder andere Bedürfnisse.
Flindt: Letztlich wird es künftig wahrscheinlich eine viel stärker personalisierte Ausbildung für Doktorand:innen geben müssen …
Stracke: … denn jede Promotion ist eine individuelle Reise.
Welches Ziel haben Sie beide sich für die Zusammenarbeit gesteckt?
Stracke: Uns schwebt ein Leuchtturm-Forschungsprojekt vor, sowohl im institutionellen Kontext als auch in der Deutsch-Australischen Doktorandenforschung. Es wird vergleichend sein – zu den Gemeinsamkeiten gehört ein ähnliches Verständnis von Betreuung und die Kommunikation, die hier stattfindet.
Flindt: Konkret planen wir Workshops zum FET-Tool und langfristig eine Beforschung von Feedbackprozessen. Unser Ziel ist, Feedback-Gespräche zwischen Akteur:innen zu verbessern und damit auch letztlich Abschlussquoten bei Promotionen zu erhöhen. Die beteiligten Hochschulen und alle Akteur:innen sollen davon profitieren.
Stracke: Die finanziellen und emotionalen Kosten einer Promotion sind für alle hoch. Wir wissen, dass gelingende Kommunikation zum Erfolg beiträgt. Bei allen Tiefs und Hochs dieses Prozesses sollten Promovierende am Ende gerne auf diese Zeit zurückschauen.
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Prof. Dr. Elke Stracke, geboren in Remscheid, begann ihre wissenschaftliche Karriere in Deutschland und ist seit 2007 als Angewandte Linguistin an der Universität Canberra tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Sprachlernprozesse, die Autonomie und Motivation Lernender, Feedback- und Bewertungspraktiken und Curriculum-Entwicklung. Als Research Ambassador des DAAD ist sie Verbindungsperson für den Austausch Studierender, Promovierenderund von Akademiker:innen zwischen Australien und Deutschland.
Dr. Nicole Flindt ist Geschäftsführerin des Forschungsreferats und Leiterin der Graduate School der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, die sie 2014 für Young Researchers aufgebaut hat. Sie forscht zu Neurodidaktik, e-learning und Künstliche Intelligenz in der Bildung, Mental Health und zukunftsweisende Berufsausbildungen für die GenZ. Sie ist von der Deutschen Systemischen Gesellschaft zertifizierte Systemische Beraterin (SG) sowie ausgebildete Mentaltrainerin nach dem Heidelberger Kompetenztraining (HKT).
Text: Antje Karbe, Foto: privat