Im Gespräch: Pädagogische Hochschule Heidelberg
/ via ph-heidelberg /
Tagungsgäste aus ganz Baden-Württemberg diskutieren diese Woche an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, wie Bildung das Engagement für Nachhaltigkeit aus Hochschulen und Gesellschaft zusammenbringt. Warum uns das zudem glücklich machen kann, beschäftigt Dr. Ulrike Graf in ihrer Forschung. Die PH-Professorin für Erziehungswissenschaft, Schwerpunkt Grundschulpädagogik, befasst sich mit Glück in der Pädagogik, eben auch im Zusammenhang mit der Bildung für Nachhaltige Entwicklung.
Für das „Glück“ gibt es zahlreiche Definitionen. Es beschäftige die Philosophie, Soziologie, Psychologie und Erziehungswissenschaften, erzählt Graf. Ebenso internationale Organisationen: So schrieb die UN-Kinderrechtekonvention 1989 das Recht eines Kindes, von Glück, Liebe und Verständnis umgeben aufzuwachsen, in der Präambel fest. Und das asiatische Bhutan wurde dafür bekannt, den Lebensstandard im Land weniger ökonomisch als am „Bruttoninlandsglück“ (Gross National Happiness Index) zu messen, dem Wohlbefinden der Menschen.
Man unterscheide zwei Dimensionen von Glück, erklärt Graf. Die hedonische bezieht sich auf ein momentanes Glückserleben, das durch ein äußeres Geschehen ausgelöst wird – beispielsweise wenn eine freudige Überraschung um die Ecke kommt. Die eudaimonische Dimension findet Graf pädagogisch spannender: Sie steht für eine Lebenszufriedenheit, die länger trägt. Erfahren wir durch Beziehungen, Arbeit oder Teilhabe die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse und Sinn, könne sich diese einstellen. „Dafür kann ein Mensch selbst etwas tun. Ebenso wird sie durch Strukturen positiv beeinflusst, etwa die Beteiligung von Bürger:innen oder die politische Bekämpfung von Armut.“
Im Kern helfe die „persönliche Ausdrucksaktivität“, beispielsweise ein Hobby wie Sport oder Musik. „Oder auch ehrenamtliches Engagement. Das übertrifft alles andere, was die Lebenszufriedenheit betrifft. Der Mensch bleibt nicht nur bei sich selbst, sondern ist in Kontakt mit Menschen und Themen, die ihm etwas bedeuten. Er engagiert sich für das Gemeinwohl.“
Etwas bewegen zu können, macht glücklich
Dem Klima- und Naturschutz dürfte dies Musik in den Ohren sein: Wird ein Engagement für erneuerbare Energien oder Artenvielfalt also automatisch durch gute Gefühle belohnt? Ganz so gerade verläuft der Weg dann doch nicht, sagt Graf. Glück stelle sich nie zwangsläufig ein. „Es geht darum, etwas für mich Sinnvolles zu machen. Das erhöht die Chancen, mich als wirkungsvoll zu erleben und langfristig Glück im Sinn von Lebenszufriedenheit zu erfahren.“ Nachgewiesen sei allerdings, dass eine intakte Natur Menschen zufriedener mache und beispielsweise Lärm oder Verschmutzung belaste.
Hier komme die Bildung ins Spiel. „Bildung macht Angebote zur Auseinandersetzung mit der Welt, erweitert Kenntnis und Verständnis, damit ich reflektiert Entscheidungen treffen kann“, sagt Graf. „Gerade im Bereich Nachhaltigkeit muss ich um die Dimensionen und Zusammenhänge wissen. Und auch, welche Handlungsmöglichkeiten es überhaupt gibt.“ Bildung aktiviere Menschen durch Neugier. „Gerade die Bildung für Nachhaltige Entwicklung will Menschen für Nachhaltigkeitsthemen erschließen.“
Ist das Vorwissen da und liegt einem die Umwelt am Herzen, sind Menschen eher bereit, sich für Nachhaltigkeitsziele wie eine unversehrte Natur, Armutsbekämpfung oder Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit zu engagieren. Vorrausetzung sei die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, und nicht bei der Haltung zu bleiben, dass „den Müll die anderen trennen können“, sagt Graf. „Verantwortung bleibt die Entscheidung jedes Einzelnen, wir können die Menschen in demokratischen Zusammenhängen nur dafür gewinnen, sich für das Gemeinwohl zu engagieren.“
Finde jemand hier Sinn und vielleicht auch kleine Erfolgserlebnisse – eine erfolgreiche Tauschbörse, die Aufmerksamkeit für ein Thema oder die Begrünung der Stadt gegen Hitze – könne sich Glück als eine tragende Zufriedenheit einstellen. Aber: Die Politik müsse zusätzlich mit strukturellen Maßnahmen unterstützen, sagt Graf, etwa einen gerechten Zugang zu Bildung garantieren. Im Übrigen wirkten sich demokratische Strukturen günstig auf die Lebenszufriedenheit aus, solange man das Gefühl habe, die eigene Stimme zähle. „Man muss aber verstehen, dass es immer um einen Interessensabgleich geht und sich nicht jeder Einzelne vollständig durchsetzen kann.“
Zwischen Anspruch und Zufriedenheit
Es gibt auch Kritik an solchen Gedankenspielen zum Glück: Das Ringen um Lebenszufriedenheit sei eher ein Wohlstandthema – wer existentielle Sorgen habe, habe dafür wenig Kopf. Auch steht es unter Konservatismusverdacht: Wem es gut geht, der will wenig verändern. Und man gewöhnt sich schnell an Rahmenbedingungen wie kostenlose Bildung oder ein gutes Gesundheitssystem. „Dann steigen die Ansprüche und Unzufriedenheit kommt auf, die allerdings auch wieder in neues Engagement führen kann“, sagt Graf.
Es kommt auf das richtige Maß zwischen Anspruch und Zufriedenheit an. Hier könnte das „Schulfach Glück“ beitragen, das aus einem Heidelberger Modellprojekt hervorging. In dem an der Willy-Hellpach-Schule entwickelten Konzept setzen sich Schüler:innen mit ihren Stärken und Bedürfnissen auseinander, eine Art Persönlichkeitsbildung. Ein entsprechender Unterricht wird inzwischen an vielen Schulen angeboten, wurde aber nie offiziell eingeführt. „Muss es meiner Ansicht nach gar nicht“, sagt Ulrike Graf. „Ein anderer Ansatz ist, dass Lehrkräfte wissen, was Lebenszufriedenheit befördern kann, und in jedem Unterricht didaktisch mitbedenken. Das geht dann auch bei einer Mathematikaufgabe.“
Text: Antje Karbe
Foto: Dr. Birgitta Hohenester
Hinweis
Unter dem Leitthema „Bildung verbindet“ lädt die Pädagogische Hochschule Heidelberg am 17. und 18. Juli 2025 zu einer Fachveranstaltung rund um Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ein. Beim SDG-Hochschultag des Netzwerks Globale Partnerschaften Baden-Württemberg (17.7.) liegt der Fokus auf internationalen Kooperationen. Beim Jahrestreffen des BNE-Hochschulnetzwerks Baden-Württemberg (18.7.) diskutieren Hochschulen landesweit Strategien, Projekte und Best Practices.