Peter Hauk empfiehlt mehr Jagd auf Wildschweine – Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg fordert ganzjähriges Jagdverbot in Stadt und Wald
/ via menschen für tierrechte-bw /
Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg verurteilt die Pläne von Peter Hauk, anlässlich des Unfalls mit einem Wildschwein in Stuttgart die Jagd auf die Wildschweine zu erhöhen. Die Wildschweinpopulationen steigen laut Wildtierbericht seit Jahren stetig und stark an. Und das, obwohl Wildschweine seit jeher intensiv bejagt werden. 1985/86 waren es noch etwas über 7200 Wildschweine, die von Jäger*innen getötet wurden. 2019/20 waren es bereits knapp 75 000. Anstatt dass man durch diese Zahlen hinterfragt, was Tierschützer*innen schon seit Jahren sagen (dass die Jagd auf Wildschweine kontraproduktiv ist), schiebt man die Schuld nun dem Klimawandel zu und fordert noch mehr Bejagung von den ohnehin schon unter dem Jagdstress leidenden Tieren.
Stuttgart, 2. Februar 2024. ,,Es gelingt seit Jahren nicht mehr, den drastischen Populationstrend zu stoppen“, heißt es im Wildtierbericht. Es wird auf dieser Basis nun aber nicht die Jagd selbst hinterfragt oder nach den eigentlich offensichtlichen Ursachen gesucht. Stattdessen empfiehlt Landesminister Peter Hauk (CDU), auf den Anstieg der Population mit einer Erhöhung der Jagd zu reagieren. Dabei gehören Wildschweine bereits zu den meist gejagten Arten in Deutschland. Rund 45.000 von ihnen wurden im Jagdjahr 2022/2023 in Baden-Württemberg bei der Jagd getötet. Für die Tiere bedeutet die starke Bejagung einen enormen Stress und lässt sie keine natürliche Population aufbauen, welche sich in Frieden einpendeln kann. Aus Angst um ihr Leben fliehen sie aus den wenigen ,,natürlichen“ Gebieten, welche ihnen noch geblieben sind und es kommt so zu mehr Wildunfällen und ungewollten Begegnungen zwischen Mensch und Tier. Ganz einfach, weil die Wildschweine keinen sicheren Lebensraum mehr haben.
Als Grund für das Wachstum der Population wird der Klimawandel vorgeschoben. Angeblich steigt dadurch das Futterangebot so massiv, dass die Wildschweinpopulation in den letzten 50 Jahren um 2000% gestiegen ist. Die Buche und Eiche mit ihren nun häufiger auftretenden Mastjahren sollen Schuld am üppigen Futterangebot sein, wodurch mehr Frischlinge überleben und die Weibchen früher geschlechtsreif werden. Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg kennt einen deutlich näherliegenden Grund für das vermehrte Futterangebot.
,,Die Tötung von Tieren, weil wir meinen, dass diese in zu hoher Population vorhanden sind, ist immer das primitivste Mittel der Wahl und damit auch niemals nachhaltig zur Lösung eines Problems geeignet“, so Julia Thielert, M.Sc. Animal Welfare Science, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg. ,,Während Mais 1960 mit etwa 56.000 Hektar noch eine Nischenkultur war, entwickelte er sich zur zweitwichtigsten Kultur nach Weizen. Mais wurde im Jahr 2021 auf 2,65 Millionen Hektar angebaut (Weizen ca. 2,86 Millionen Hektar). In Deutschland dient Mais nahezu ausschließlich als Tierfutter oder als Substrat für die Erzeugung von Strom in Biogasanlagen. Maissilage wird zur Rinderfütterung genutzt. Körnermais wird geerntet und für die Geflügel- und Schweinefütterung genutzt.“
Steigen die Anbauflächen für Mais also stetig, verwundert es auch nicht, wenn Populationen an Wildtieren steigen, die diesen Mais als Nahrungsquelle bevorzugen. Die Anbaufläche für Mais und Raps ist seit 2001 um 60 Prozent gestiegen. Beide Feldfrüchte werden von Wildschweinen geliebt und hauptsächlich für die Massentierhaltung angebaut. Regionales Futter, geschlossene Kreislaufwirtschaft oder wie auch immer man das in geschönter Form nennen möchte.
Parallel zu diesem breiten Nahrungsangebot, welches wir vielen Wildtierarten in Deutschland vorsetzen, verringern wir auch zunehmend ihren Lebensraum. 99,4% der Natur in Deutschland sind vom Menschen manipuliert. Echte Natur für all die anderen Arten gibt es also nur noch auf 0,6% der Fläche. Konflikte sind bei einer derart massiven Ausbreitung unserer eigenen Interessen kaum vermeidbar. Und schaut man sich an, wer unsere Erde am meisten besiedelt, schließt sich der Kreis wieder bei der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Diese Erde ist mittlerweile stark bevölkert von landwirtschaftlich genutzten Tieren. Es gibt sie mehr als Wildtiere und mehr als uns Menschen. Um es genau zu sagen, es gibt 10-mal so viele landwirtschaftlich genutzte Tiere auf dieser Welt, wie es Menschen gibt. Unser Hunger auf Tierprodukte hat diese Welt im wahrsten Sinne des Wortes zu einer Welt der Tierausbeutung werden lassen. 77 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche werden genutzt, um landwirtschaftlich genutzte Tiere aufzuziehen und zu füttern. Und dabei fressen eben auch die Wildschweine mit. Ihre Population wächst, parallel werden sie stark bejagt und aus ihrem schrumpfenden Lebensraum verdrängt.
Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg fordert ein Ende der Bejagung von Wildtieren. Der Abbau der Tierhaltung muss durch Umstiegs- und Ausstiegsprämien gefördert werden, sodass das massive Futterangebot für Wildtiere sinkt und sie durch Renaturierung wieder mehr Lebensraum erhalten können. Bis dahin sollte mit humaner Populationsregulierung gearbeitet werden wie der Pille und natürliche Prädatoren wie der Wolf sollten nicht bejagt werden. Um Wildtierunfälle zu vermeiden, müssen zudem mehr Wildtierbrücken gebaut werden. Allein eine Viertelmillion tödliche Zusammenstöße mit großen Wildtieren werden jährlich in Deutschland notiert, darunter 200.000 mit Rehen und 30.000 mit Wildschweinen. Das ist ein Unfall alle zweieinhalb Minuten. Und hier sind kleinere Arten wie Hasen noch nicht einmal eingerechnet. Wir empfehlen unser Radiointerview zum Thema Drückjagd, in welchem MfT BW ausführlich darstellt, was diese Form der Jagd für die Tiere bedeutet.
ENDE
Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit 1983 für den Schutz und die Rechte der Tiere einsetzt. Durch Öffentlichkeitsarbeit macht der Verein Tierleid für die Bevölkerung sichtbar und zeigt Alternativen auf. Menschen für Tierrechte ist Mitglied im Landestierschutzbeirat Baden-Württemberg und seit 2016 sind die Menschen für Tierrechte einer der drei anerkannten Verbände für das Gesetz über Mitwirkungsrechte und das Verbandsklagerecht im Tierschutz (TierSchMVG).
Pressekontakt:
Julia Thielert
M.Sc. Animal Welfare Science
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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