Berufsmessen: Eine kritische Betrachtung von Philipp Schmidt
/ via anpfiff ins leben /
Berufsmessen könnten eine entscheidende Rolle in der Orientierungsphase von Jugendlichen spielen, da sie die Gelegenheit bieten, Einblicke in verschiedene Berufsfelder zu gewinnen. Diese Veranstaltungen sollten als Brücke zwischen der schulischen Ausbildung und dem zukünftigen Berufsleben dienen. Jugendliche hätten die Möglichkeit, direkt mit Vertretern aus verschiedenen Branchen zu sprechen, Fragen zu stellen und einen realistischen Einblick in die Anforderungen und Chancen bestimmter Berufe zu erhalten.
Drei Sätze, drei auffällige Worte:
Könnten, sollten, hätten
Denn die Realität sieht leider anders aus:
Gemeinsam mit meiner Kollegin Corinna Glogger gehe ich zu einer renommierten Berufsmesse der Region. Unsere Mission: Wir möchten erkunden, wie sich Unternehmen im Jahr 2023 präsentieren und wie sie versuchen, Jugendliche für sich zu gewinnen. Wie hat sich die Berufsmesse in den letzten Jahren verändert? Gibt es innovative Ansätze?
Die Ernüchterung folgt auf dem Fuße, denn es hat sich offenbar kaum etwas verändert. Die meisten Jugendlichen laufen orientierungslos von Stand zu Stand und ich fühle mich schlagartig 25 Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt, als ich selbst als Jugendlicher mit meiner Klasse durch diese Messe von Stand zu Stand geführt wurde. Standbetreiber sind zurückhaltend, manche geben regelrecht das Signal, nicht angesprochen werden zu wollen. Der Eindruck entsteht, es gäbe keinen Bedarf an Nachwuchskräften und die Messe sei für Unternehmen eher eine Last als eine Chance. Ein Stand ist sogar gänzlich unbesetzt. Da beginne ich mich zu fragen, wer noch Fachkräftemangel und zu wenige Bewerber beklagt?
Natürlich gibt es Ausnahmen – Unternehmen, die ohnehin bekannt und somit Besuchermagneten sind glänzen mit beeindruckenden Ständen. Aber wie gesagt, das sind große Unternehmen, die bei den Jugendlichen sowieso schon hoch im Kurs stehen. Ein weiterer Stand fällt mir besonders positiv auf: Ein Handwerkerbetrieb lockt mit einer VR-Brille, die einen auf eine virtuelle Baustelle versetzt. Hier kann man mit Joysticks einen Rohrbruch reparieren. Genial – warum gibt es nicht mehr davon?
Nach meinem Besuch frage ich mich, ob diese Form von Berufsmessen überhaupt noch Sinn macht. Denn in den Scouting Gesprächen, die ich und meine Kollegin als berufliche Koordinatoren bei Anpfiff mit Jugendlichen führen, bestätigt sich, dass die meisten jungen Menschen nicht aus eigenem Antrieb zu Berufsmessen gehen und nach dem Besuch der Messe auch keinen Schritt weiter in ihrer beruflichen Orientierung sind. Überwiegend sind die Jugendlichen mit ihren Schulklassen dort, um von Stand zu Stand geschleust zu werden und am Ende mit einer Tüte voller Giveaways und Flyern nach Hause zu kommen. Letztere landen in den meisten Fällen schnell im Müll, und die Giveaways dienen am nächsten Schultag als Trophäensammlung. Ich bin sicher, dass dies nicht an der Lustlosigkeit der Jugendlichen liegt, sondern an der mangelnden Attraktivität solcher Veranstaltungen.
Das ist schade, denn Berufsmessen haben das Potenzial, viele Jugendliche gleichzeitig zu erreichen. Sie können dazu beitragen, dass junge Menschen einen Schritt weiter in ihrer Berufsorientierung kommen oder sogar schon Entscheidungen über ihre berufliche Zukunft treffen können. Unternehmen können als Wegweiser fungieren und junge Menschen inspirieren, ihre Talente zu entdecken und so erfolgreich in die Arbeitswelt einzusteigen. Aber nur, wenn Unternehmen auf Berufsmessen ihre Ressourcen effektiver, gezielter und innovativer einsetzen.