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Dolce Vita für die Mafia in Germania

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Aufrüttelnder Start ins 13. KulturFestival Italia: Die Antimafia-Experten Dr. Alessandro Bellardita und Sandro Mattioli diskutieren im DAI Heidelberg über dessen Buch „GERMAFIA”
Heidelberg. Kronzeuge Luigi Bonaventura oder Baden-Württemberg? Das Publikum im voll besetzten Großen Saal des Deutsch-Amerikanischen Instituts (DAI) Heidelberg von Direktorin Lena Jöhnk und Volare-Vorständin Chiara Rottaro freudig begrüßt, klatscht mehrheitlich für die „ländliche“ Option.
Bevor Sandro Mattioli (Foto: links) aus seinem neuen Buch GERMAFIA liest, stellt Moderator Dr. Alessandro Bellardita (Foto: rechts), Strafrichter in Karlsruhe und Ex-Staatsanwalt für Organisierte Kriminalität, den Autor vor. Der als Gastarbeiterkind in Heilbronn geborene Deutsch-Italiener Sandro Mattioli ist Vorsitzender des 2009 in Berlin gegründeten Vereins „mafianeindanke“. Der Investigativ-Journalist zählt zu den führenden Experten und NGO-Aktivisten im Kampf gegen die Mafia in Deutschland.
Mattioli schildert das Gespräch mit einem „Berater“ und einem „Mittelsmann“ über die Herstellung von Falschgeld. Der bestens vernetzte „Berater“ ist ausgebildeter Profi im Druckbereich, kennt sich mit Farbschichten, Wasserzeichen, Produktion und Spezialpapier von Geldscheinen aus. Er erklärt: „Das Papier bekommen Sie in China, aber die Mindest-Bestellmenge sind hundert Tonnen.“ Der Mittelsmann fragt: „Wie viele Scheine kann man daraus machen?“ Die Antwort: „Aus 100 Tonnen Papier macht man in wenigen Tagen zehn Milliarden US-Dollar“. Gewinnmargen, die den Drogenhandel und andere Einnahmenquellen der Mafia weit in den Schatten stellen.
Doch was hat Baden-Württemberg damit zu tun? Der „Berater“ wurde in Stuttgart von zwei LKA-Beamten vernommen. Dabei hatte er von einer hochspezialisierten Falschgeld-Druckerei in Parma berichtet. Anstatt diesen protokollierten Hinweisen auf schwere Straftaten nachzugehen, war dem Landeskriminalamt „der geschilderte Sachverhalt“ Jahre später „gänzlich unbekannt.“ In dieses Falschgeld-Big Business war der Stuttgarter Promi-Gastronom Mario L. involviert.
CDU-Capo Günther Oettinger: “Der Mario war einer meiner besten Freunde”
Mario L. genoss in der Stuttgarter Stadtgesellschaft hohes Ansehen, vor allem aber bei der gefährlichsten und mächtigsten Mafia-Organisation ‘Ndrangheta. Für Günther Oettinger, damals Fraktionsvorsitzender der CDU Baden-Württemberg, war „der Mario“ einer seiner „besten Freunde“. Vor genau einem Jahr wurde Mario L. vom italienischen Kassationsgericht in Rom unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer mafiösen Vereinigung, Rauschgift- und Waffentransporten sowie Geldwäsche rechtskräftig zu acht Jahren Haft verurteilt.
Da der enttarnte schwäbische Pate nicht in Deutschland verurteilt wurde, darf der Nachname von Mario L. nicht in den Medien genannt werden. Dabei lässt er sich dank Wikipedia-Eintrag mit wenigen Clicks googeln! In Italien hingegen steht der Schutz der Gesellschaft über dem Persönlichkeitsschutz des Täters. Die Namen der Beschuldigten, inklusive Wohnort und Alter, werden in allen italienischen Medien veröffentlicht – hierzulande immer noch undenkbar!
 “Wir haben keinen Generalbundesanwalt für Organisierte Kriminalität”
Im Podiumsgespräch kritisieren die beiden Experten, dass es in Deutschland bei der Mafia-Bekämpfung an vielem krankt. An den zahlreichen Schlupflöchern in der Gesetzgebung, vor allem in puncto Geldwäsche und Finanzwirtschaft. An der mangelnden Zusammenarbeit der zuständigen Bundes- und Landesbehörden. Während beim zentralen Kriminalamt „Direzione Investigativa Antimafia“ (DIA) alle Ermittlungsfäden in Italien zusammenlaufen, gibt es in Deutschland zwar einen Generalbundesanwalt für Terrorismus, aber keinen für Organisierte Kriminalität.
Außerdem plädiert Mattioli für die in Italien erfolgreich praktizierte Beweisumkehrlast. Das heißt: Geld- oder Immobilienbesitz kann vom Staat konfisziert werden, wenn der Inhaber dessen Herkunft nicht belegen kann. Bellardita fügt hinzu: „Mutige Journalisten wie Sandro Mattioli werden mit Klagen mafiöser Straftäter überzogen und massiv an der freien Berichterstattung gehindert.“
Ohne Aussteiger und Kronzeugen keine effektive Strafverfolgung!
Doch welche Rolle spielt der eingangs erwähnte Luigi Bonaventura? Für Sandro Mattioli eine unverzichtbare Schlüsselrolle! Viele Mafiosi konnten nur verhaftet werden, weil es in Italien das zentrale Instrument der Kronzeugen-Regelung gibt. Für den GERMAFIA-Autor ist der frühere ‚Ndrangheta-Boss, Mafia-Aussteiger, fünffache Mörder und Familienvater Luigi Bonaventura zum Freund geworden.
Was befremdlich klingt, erklärt der Antimafia-Botschafter damit, dass ohne „Pentiti“ (ehemalige Mafiosi) eine erfolgreiche Mafia-Bekämpfung kaum möglich sei. Denn wer die Omertà, das Gesetz des Schweigens bricht, bezahlt mit dem Leben. Mafia-Interna können daher nur Insider geben, die zu den „Doti“ gehören, die was zu sagen haben. Luigi Bonaventura, der aus einer alten ‚Ndrangheta-Familie stammt, hat sich vom früheren Mafia-Capo trotz Lebensbedrohung zum überzeugten und erfolgreichen Antimafia-Kämpfer gewandelt.
Der globale Mafia-Konzern ‘Ndrangheta setzt 220 Milliarden Euro um!
Die meisten Deutschen wissen auch nicht: Die „privatwirtschaftlich“ organisierte Kriminalität schränkt unsere Freiheit und unseren Wohlstand ein! Hinter den steigenden Immobilienpreisen, die den Erwerb von Wohneigentum für die große Mehrheit nahezu unerschwinglich machen, steckt oft die gigantische Profit- und Geldwaschmaschine der kalabrischen Mafia. Insgesamt wird der Gesamtumsatz des multinationalen Konzerns ‘Ndrangheta auf etwa 220 Milliarden Euro geschätzt, davon fast die Hälfte im Geldwäsche-Eldorado Deutschland.
Metropolregion Rhein-Neckar Domäne der Casa Nostra!
Auf die Frage aus dem Publikum, wie aktiv die ‘Ndrangheta in der wirtschaftsstarken Metropolregion Rhein-Neckar sei, betont der „Mafianeindanke“-Gründer, dass deren Epizentrum im Stuttgarter Raum liege. Bellardita erklärt, dass Mannheim vor allem in den 80er und 90er Jahren eine Hoch- und Fluchtburg für die sizilianische Cosa Nostra gewesen, aber auch heute noch unterm Radar sehr präsent sei. Auch das Schicksal des am 19. Juli 1992 ermordeten Richters Paolo Borsellino ist mit der Quadratestadt verbunden. Der Bruder eines seiner Mörder wurde in Mannheim verhaftet.
Als eine junge Frau am Ende der lebhaften Fragerunde wissen will, ob die beiden Antimafia-Spezialisten sich bei ihrem vielfältigen öffentlichen Engagement bedroht fühlen, sagt Alessandro Bellardita: „Wir haben dieses Thema nicht gesucht. Es hat uns gesucht!“ Ein denkwürdiges Schlusswort nach „zwei aufschlussreichen, aufrüttelnden Stunden“, wie Chiara Rottaro vom deutsch-italienischen Kulturverein Volare die gelungene Auftaktveranstaltung des 13. KulturFestival Italia 2025 resümiert.
Joseph Weisbrod
Info: „GERMAFIA – Wie die Mafia Deutschland übernimmt.“ Ein Erfahrungsbericht. 2025. 368 Seiten. 24 Euro. Westendverlag. Weitere Infos: www.mafianeindanke.de

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