Das Urteil
/ via taeter theater /
An einem Sonntagmorgen im schönsten Frühjahr schreibt der junge, erfolgreiche Kaufmann Georg Bendemann einen Brief an seinen Jugendfreund im fernen Petersburg, um ihn zu seiner Hochzeit einzuladen. Als Georg seinem alten Vater, mit dem er in gemeinsamer Wohnung lebt, von seiner Einladung an den Freund erzählt, entwickelt sich zwischen ihnen überraschend ein Machtkampf um Leben und Tod.
Die dramatische Struktur der Erzählung reizte Wolfgang Graczol zu dieser experimentellen Aufführung und schuf für sie einen unheimlichen Assoziationsraum.
(Dauer: ca. 1 Stunde)
Pressestimmen
Seine Augen sind vom auffahrendem Zorn geweitet, die Hände in zitternder Bewegung, als der Vater ruft: „Und darum wisse: Ich verurteile dich jetzt zum Tode des Ertrinkens!“ Dann stürzt krachend die zeltartig arrangierte Holzlatten-Konstruktion zusammen, die Wolfgang Graczol nach und nach auf der Bühne des Taeter Theaters errichtet hat. Der Sohn wird sich dem väterlichen Verdikt beugen, sich ins Wasser stürzen, so hat es ihm Franz Kafka in seiner Erzählung „Das Urteil“ beschieden – nach der Graczol sein gleichnamiges Einpersonenstück inszeniert.
Pointierte Darstellung
In Kafkas Text schreibt Geschäftsmann Bendemann einen Brief an seinen Jugendfreund in Petersburg, um jenen zu seiner Hochzeit einzuladen. Georg berichtet seinem Vater von dem Schreiben – und löst dadurch eine bizarre, schließlich fatale Konfrontation aus. Graczol übernimmt dabei die Funktion des Erzählers, schlüpft zugleich in die Rollen von Vater und Sohn – und vollzieht mit seiner pointierten Darstellung ausdrucksstark die schleichende Wandlung des Kafka-Textes nach: von der nüchternen, fast beiläufigen Schilderung einer Freundschaft hin zu wachsender Bedrohung.
Wie Kafka in seiner Erzählung beginnt, die Schrauben der sicheren Handlungslogik zu lösen, einen alptraumhaften Zersetzungsprozess startet, der Vater und Sohn in schicksalhafte Opposition bringt, so hält auch in Graczols Spiel zunehmend das Unheimliche Einzug. Als Regisseur setzt er das Stück dabei als schlankes, knapp einstündiges Kammerspiel in Szene – mit Musik-Einspielungen von Kompositionen Anton Weberns. Die Intensität des Lichtes wird dann und wann geändert, als Requisiten dienen lediglich ein Stuhl und eingangs erwähnte Holzlatten, deren Anordnung uns gleichermaßen als fragiler Schutzraum und Gefängnis erscheint. Vor allem aber wird „Das Urteil“ von Graczols überzeugend intensiver Darstellung getragen. mav
Mannheimer Morgen
15. Juni 2011