Stellungnahmen zum Haushaltsentwurf & Einbringung der Änderungsanträge
/ via dieheidelberger /
Die Heidelberger, Larissa Winter-Horn (Fraktionsvorsitzende)
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
zunächst einmal möchte ich mich beim gesamten Team der Stadt Heidelberg bedanken, das in den letzten Monaten intensiv an diesem Haushalt gearbeitet hat.
Die Ausgangslage war diesmal eine andere, wie sie viele Beteiligte bis dato nicht kannten.
Aber davon zu sprechen, dass das Defizit plötzlich kam, ist falsch.
Der Kämmerer hat uns bereits vor einem Jahr darauf hingewiesen.
Das hat die meisten Fraktionen jedoch nicht davon abgehalten, im Kommunalwahlkampf fleißig Zusagen zu machen. Marliese Heldner wurde bei einer Podiumsdiskussion regelrecht in die Ecke gestellt, weil siekeine Zusage für eine Erhöhung um 500.000 € gemachthat. Und nun können die Versprechen der anderen nicht eingehalten werden. Welche Vorgehensweise ist nun ehrlicher?
Interessant ist auch, dass die RNZ im Mai 24 die Kommunalwahllisten befragt hat: „Die Stadt hat überraschend 100 Millionen Euro Mindereinnahmen – wo sparen Sie?” Und ausgerechnet unsere größte Gemeinderatsfraktion hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, diese Frage ernsthaft zu beantworten. Für sie war die Lösung: „Am Selbstmarketing des Oberbürgermeisters.“
Aber nun konkret zum vorliegenden Haushaltsentwurf:
Um die Situation für jeden verständlich auf den Punkt zu bringen:
– Der Schuldenstand wird bis Ende 26 bei 468 Mio. € liegen –
das ist mehr als eine Verdopplung innerhalb von 5 Jahren.
– Wir müssen allein schon für unsere laufenden Ausgaben Schulden aufnehmen.
– Unsere Rücklagen sind in 2 Jahren aufgebraucht – es sei denn, wir steuern jetzt gegen!
Deswegen sind im Haushalt die Investitionen deutlich heruntergefahren.
Nur ein Minimum zum Erhalt der Infrastruktur ist übrig. Dafür neue Schulden aufzunehmen, ist nötig. Aber genehmigungsfähig wäre dieser Haushaltsentwurf eigentlich nicht.
Damit es endlich alle verstehen: Anders als der Bund können wir als Kommune nicht unbegrenzt Kredite aufnehmen, wir bekommen sie ab einer gewissen Größe nicht mehr genehmigt. Das war in den letzten Jahren bereits der Fall.
Ein Haushalt wird nicht in den schlechten Jahren, sondern in den guten Jahren „versaut“. Tatsächlich haben wir uns zuviel geleistet und das nicht reflektiert. Wir haben hoheStandards etabliert, die natürlich niemand reduzieren möchte. Doch das müssen wir. Nur so erhalten wir künftigauch wieder Spielraum für Investitionen.
Uns ist bewusst, dass wir ein Defizit von über 100 Millionen € nicht von jetzt auf gleich abbauen können. Aber jeder Schritt in diese Richtung zählt jetzt! Denn wir müssenzeigen, wie wir die Konsolidierung in 4 Jahren ernsthaft umsetzen.
Doch wie bekommen wir das hin?
Mit dem Haushalt 21/22 wurde eine Haushaltstrukturkommission eingerichtet. Ziel war, die Erträge zu steigern bzw. den Aufwand zu reduzieren, und zwar durch Aufgabenkritik und strukturelle Verbesserungen.Doch dazu kam es nie.
Wir sind enttäuscht, dass uns in der Haushaltsstrukturkommission nur von wenigen ÄmternVorschläge zu realistischen Sparmaßnahmen zur Diskussion vorgestellt wurden. Vorschläge zu strukturellen Veränderungen gab es überhaupt nicht.
Und das spiegelt sich auch im Haushaltsentwurf wieder:
Die großen Einsparungen, die die Verwaltung für den Haushaltsentwurf bereits einbringt, sind nicht sofort erkennbar.
In welchen Bereichen Einsparungen vorgenommen werden und welche Auswirkungen das hat, ist nicht transparent dargestellt.
Wie der Ergebnishaushalt durch entsprechende Maßnahmen nachhaltig verbessert werden kann, wird auch nicht deutlich aufgezeigt.
Und vor allem fehlt uns ein mutiger Weg!
Wir möchten nicht unterstellen, dass der Haushaltsentwurf keine Struktur in puncto nachhaltiger Einsparpotenziale hat. Auf Nachfrage haben wir alle relevanten Daten und Fakten erhalten. Aber es fehlt an Übersicht und Transparenz sowiean einem strukturierten Prozess für die folgenden Beratungen, anhand dessen Verwaltung und Gemeinderat gemeinsam gezielte Entscheidungen treffen können.
Uns ist bewusst geworden, dass die dezentrale Ressourcen– und Kostenverantwortung in der Kommune zwar Vorteile mit sich bringt. Aber eine zentrale, übergeordnete Steuerungsebene ist dadurchverloren gegangen.
Wir wollen dieses Problem lösen und eine der dringendsten Maßnahmen, die wir ergreifen wollen, ist die Schaffung einer zentralen Controlling-Funktion in der städtischen Verwaltung. Deshalb stellen wir folgenden konkretenLeitantrag:
Einrichtung und Etablierung einer zentralen Controlling-Funktion
1. für eine transparente und nachvollziehbare Haushaltsführung
2. für eine ziel– und ergebnisorientierte Steuerung
3. für die nachhaltige Konsolidierung durch laufendeBudgetkontrolle und systematische Ergebnisverbesserung über alle Bereiche
Ohne eine übergeordnete Controlling-Funktion können wir die dringend notwendige Haushaltskonsolidierung nicht effektiv umsetzen. Diese Stelle ist entscheidend für den Erfolg und ermöglicht mittel- und langfristig die Sicherstellung der Stabilität und der Zukunftsfähigkeit unserer Stadt. Sie sorgt dafür, dass die Ziele, die Politik und Verwaltung gesetzt haben, kontinuierlich überprüft werden und über deren Einhaltung berichtet wird. Bei Abweichungen von den Zielen können wir uns auf objektive und transparente Grundlagen stützen, um gezielte Maßnahmen zu ergreifen.
Aus den vergangenen Haushaltsberatungen ist bekannt, Die Heidelberger stehen für:
1. Aufgabenkritik
Weitere Einsparungen seitens der Verwaltung sind nur durch eine stärkere Aufgabenkritik möglich.
2. Realistische Priorisierung
Wenn wir selbst keine Prioritäten setzen, geben wir das Prioritätensetzen aus der Hand. Wir müssen Kernthemen herausfiltern, die wir am Ende auch umsetzen.
3. Bürokratieabbau & Ermöglichungskultur
Wenn man beides ernsthaft betreibt und Spielräume nutzt, spart dies erhebliche Ressourcen – bei Verwaltung, Bürgernund auch Unternehmen.
4. Digitalisierung – einfach mal machen!
Das Amt für Digitales hat den größten Stellenzuwachs. Dann erwarten wir jetzt aber auch den „Doppel-Wumms“! Und vor allem, dass dadurch auch Personal frei wird.
Zurecht wird gefordert, die Einnahmenseite zu verbessern.
Für uns bedeutet das jedoch nicht zwangsläufig Gebührenerhöhungen oder neue Steuern. An erster Stelle sollte eine Wirtschaftsoffensive stehen. Denn damit können wir an erfolgreiche Jahre anknüpfen, in denen uns gerade die hohen Gewerbesteuereinnahmen viele Investitionen in die Zukunft ermöglicht haben.
Insofern kommt die Absenkung des Hebesatzes aus betriebswirtschaftlicher Sicht genau zum richtigen Zeitpunkt: Jeder kennt den 1,99-Effekt. Es macht einen gravierenden Unterschied, ob der Hebesatz über oder unter 400 liegt.Und gerade aktuell haben wir Flächen, auf denen wir neues Gewerbe ansiedeln können.
Zu einer Wirtschaftsoffensive gehört natürlich mehr:
•Die Wirtschaftsförderung wurde im letzten Haushalt von uns gestärkt – jetzt brauchen wir ein offensives Ansiedlungsmanagement!
• Bürokratieabbau und Beschleunigung bei der Unternehmensgründung und –führung –
vom Kleinunternehmen, über den Mittelstand bis zur Industrie
• Und wir als Gemeinderat müssen im Blick haben, ob unsere Entscheidungen die Wirtschaft fördern oder ihr eher Steine in den Weg legen.
Einnahmen rein über höhere Gebühren oder neue Abgaben zu steigern, halten wir für den falschen Weg. Noch dazu, wenn nur einzelne Branchen belastet werden.
Deshalb sehen wir eine Übernachtungssteuer skeptisch.Wir haben uns dennoch in der Arbeitsgruppe intensiv für einen akzeptablen Kompromiss eingebracht: Mit einem Pauschalbetrag von 2,50 € pro Person und Nacht würde es gelingen, die im Haushaltsentwurf vorgesehene Summe zu erwirtschaften.
Was uns missfällt ist, dass ausschließlich Übernachtungsgäste in die Tourismusabgabe einzahlen undTagestouristen nicht. Wir haben dies von Anfang an gefordert, aber die Verwaltung hat die Tagestouristen weder in den Haushaltsentwurf aufgenommen, noch ist sie im Nachgang lösungsorientiert an die Sache herangegangen:Derzeit sieht man keine Möglichkeit. Und da sich dieMehrheit des Gemeinderates gegen einen Busparkplatz ausgesprochen hat, können wir nicht mal die Bus- und Kreuzfahrttouristen auf einfache Weise zur Kasse bitten.
Ähnlich verhält es sich mit der Verpackungssteuer: Sie soll als Lenkungssteuer die Abfallmengen reduzieren. Aber die Leiterin des Amtes für Abfallwirtschaft hat noch einmal klargestellt, dass es Fakt ist, dass sich dadurch die Abfallmenge nicht ändert. Und wenn man sieht, dass der weit überwiegende Teil der Einnahmen vom bürokratischen Aufwand aufgefressen wird, sollte man sich wie Freiburg überlegen, einen sinnvolleren Weg zu gehen.
Auch einigen Gebührenerhöhungen stehen wir skeptisch gegenüber. Es ist nachvollziehbar, wenn man überlegt, erhöhte Kosten weiterzugeben. Aber dass es nun die Familien, die wir eigentlich fördern wollen, am härtesten trifft, ist nicht in unserem Sinne.
Das Problem sind die Ausgaben, nicht die Einnahmen:Zu Zeiten von OB Weber waren die Gewerbesteuereinnahmen 100 Mio. € geringer als heute. Aber die Ausgaben sind über die Maßen gestiegen. Wir leben über unsere Verhältnisse: Wir haben in einigen Bereichen die höchsten Ausgaben pro Kopf. Hier müssen wir ansetzen!
Man kann die Meinung vertreten, dass am Öffentlichen Nahverkehr gar nicht gespart werden darf. Aber wenn uns die RNV Maßnahmen vorschlägt, wie die Kosten reduziert werden können, müssen wir uns damit auseinandersetzen.Für uns ist dabei v.a. wichtig, dass die Außenstadtteile weiterhin gut angebunden bleiben.
Ebenso werden wir bei freiwilligen Leistungen im sozialen Bereich genau hinschauen müssen. Wobei man festhalten muss, dass die Zuschüsse auf dem Niveau von 24bleiben. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, wie es ist, wenn das Land dem Arbeitsgeber den Zuschuss um 20 % kürzt – das sind wirkliche Abstriche.
Nichtsdestotrotz ist uns bewusst, dass mit derselben Summe durch Personalkostensteigerungen u.a. weniger Leistung erbracht werden kann. Deshalb müssen wir in diesen Prozess tiefer einsteigen und priorisieren. Es existieren beispielsweise auch Doppelstrukturen, die wir uns ganz einfach nicht mehr leisten können.
Ein Bereich, den wir ungern beschneiden würden, ist die Schulsozialarbeit. Hier haben wir uns einen guten Standard erarbeitet. Die Mittel sind sinnvoll investiert – in unsere Jugend, in unsere Zukunft. Und um diese ist es aktuell nicht gut bestellt, wie uns Pädagogen, Ärzte und auch Therapeuten berichten.
An dieser Stelle appelliere ich an die Parteien, die in Land und Bund vertreten sind: Im sozialen Bereich – eigentlich in allen Bereichen – ist ein stärkeres Engagement von Land und Bund dringend erforderlich! Zum Großteil sind Gesetzesänderungen für die enormen Kostensteigerungenverantwortlich. Dann muss hierfür auch ein finanzieller Beitrag geleistet werden. Ohne ein kommunales Entlastungsprogramm werden wir den Haushalt nicht gestemmt bekommen!
Bauunterhalt braucht mehr Aufmerksamkeit – finanziell und personell. Dem wurde zu wenig Rechnung getragen. Es wurde zu viel in Generalsanierungen und Neubau gesteckt, die Instandsetzung ist vernachlässigt worden.
Problematisch ist aber auch, dass wir viel zu teuer bauen: immer die höchsten Standards, Architektenwettbewerbe, nachträgliche Änderungswünscheuvm. Und selbst unsere letzten beiden Kitas – aus vorgefertigten Holzmodulen, mit dem Fokus auf Zeit- und Kosteneffizienz – haben jeweils fast 8 Mio. € gekostet. Gut, dass die GGH bei den Schulsanierungen mit ins Boot geholt wird. Auf diese Weise kommen wir schneller voran, aber günstiger kommt uns das nicht. Statt Krediten zahlen wir künftig fortlaufend Miete an die GGH.
Heidelberg ist Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Darauf können wir stolz sein. Aber auch hier brauchen wir eine stärkere Priorisierung und v.a. eine Konzentration auf effektive Maßnahmen statt puren Aktionismus!
Es tut mir leid, dass ich hier wieder das Beispiel Balkonmodule bemühen muss: Ein Förderprogramm von 20.000 € für Balkonmodule ist finanziell überschaubar, auch wenn ein Beitrag zum Klimaschutz damit nicht geleistet wird. Den Symbolcharakter kann man vielleicht noch unterstützen. Aber wenn man erfährt, dass dieses Förderprogramm zwei Mitarbeitende bindet und sich die Kosten also eher auf 200.000 € belaufen, muss man sich fragen, ob man das Geld nicht sinnvoller einsetzen könnte.
Im Bereich Kultur haben wir im Bundesvergleich nach wie vor die höchsten Ausgaben. Das kann so nicht weiter gehen. Auch das Regierungspräsidium akzeptiert dieses hohe Niveau an freiwilligen Leistungen nicht, wenn wir unseren Pflichtaufgaben nicht nachkommen. Deshalb muss auch die Kultur Teil des Konsolidierungsprozesses sein.
Wir – Die Heidelberger – stellen in diesem Doppelhaushalt bewusst keine Erhöhungsanträge. Es ist nicht so, dass wir uns diese nicht wünschen würden.
Ein kleines Budget für die Kinderbeauftragtenbeispielsweise würde einen Zugewinn an Aktivitäten in den Stadtteilen und mehr Teilhabe ermöglichen. Der Betragkann ohne Probleme aus dem Stadtteilbudget genommenwerden.
Wir denken auch an den Übungsleiter-Zuschuss für die vielen Ehrenamtlichen im Sport. Er wurde seit Jahren nicht erhöht und macht es immer schwieriger, Übungsleiter zu finden. Aber uns ist bewusst, dass aktuell nicht die Zeit für Erhöhungen ist.
Deshalb beantragen wir auch, dass folgende Erhöhungen gestrichen werden:
Aktuell ist es nicht angebracht und ein völlig falsches Zeichen den Mitarbeitenden und der Bevölkerung gegenüber, vier neue Stellen für zusätzliche Büroleitungen der Dezernate für 420.000 € im Jahr zu schaffen. Auch wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten, und verzichten auf die Erhöhung der Sitzungsgelder.
Ein Stadtteilmanagement für PHV benötigen wir aktuell noch nicht, ebenso wenig eine dezentrale Mobilitätsberatung für Bewohner der Konversionsflächen.
Wir sollten auch kritisch hinterfragen, ob wir aktuell viel Geld in die Errichtung und fortlaufende Wartung von neuen Trinkwasserbrunnen investieren wollen, oder an die Eigenverantwortung der mündigen Bürger appellieren können.
Unsere Liste umfasst noch etwas mehr und ich bin gespannt, welche Einsparpotenziale andere identifiziert haben. Wir wollen im nun folgenden Prozess gemeinsam analysieren, welche Einsparpotentiale zusätzlichumgesetzt werden können, um an anderer Stelle vielleicht doch mehr möglich zu machen. Aber diese Entscheidung sollten wir gemeinsam treffen und dabei stets die Auswirkungen im Blick behalten!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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