/ via Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg /
Unter Nutzung der einzigartigen weltraumähnlichen Bedingungen im kryogenen Speicherring (CSR) haben Forscher des MPIK erstmals die dissoziative Elektronenrekombination von rotationskalten D2H++-Ionen gemessen. Die Ergebnisse stimmen sehr gut mit theoretischen Berechnungen überein, insbesondere in dem Energiebereich, in dem einzelne Rotationsresonanzen dominieren. Die Ergebnisse sind von großer Bedeutung für die Chemie interstellarer Wolken (Nature Communications, 19 August 2025).
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Dreiatomiger Wasserstoff, das einfachste mehratomige Molekül, spielt eine Schlüsselrolle in der Chemie interstellarer Wolken. Interessanterweise ist seine einfach geladene ionische Form H3+ stabil, aber das Molekül bricht auseinander, sobald es neutralisiert wird. Der Einfang eines freien Elektrons mit anschließendem Auseinanderbrechen des Moleküls ist ein sehr effizienter Mechanismus, der als dissoziative Rekombination bezeichnet wird. Die bei diesem Prozess freigesetzten neutralen Wasserstofffragmente sind wichtige Reaktionspartner in den chemischen Netzwerken von Molekülwolken. Von besonderem Interesse sind die deuterierten Formen H2D+ und D2H+, bei denen ein oder zwei Wasserstoffkerne (Protonen) durch das doppelt so schwere Deuteron-Isotop ersetzt werden. In dichten Molekülwolken, die für die Entstehung von Sternen und Planeten von Bedeutung sind, kann der Deuterium-Einbau zur Verfolgung organischer Chemie genutzt werden. Daher ist eine detaillierte Kenntnis der Wahrscheinlichkeiten für die dissoziative Rekombination (so genannte Ratenkoeffizienten) für deuterierte dreiatomige Wasserstoffionen von entscheidender Bedeutung für unser Verständnis der Deuterium-Anreicherung in Sternentstehungsgebieten.
Um die gesuchten Informationen unter interstellaren Bedingungen bei tiefen Temperaturen zu gewinnen und einen detaillierten Vergleich mit theoretischen Berechnungen zu gewinnen, müssen die Molekülionen in ihren niedrigsten Quantenzuständen interner Freiheitsgrade, wie Schwingung und Rotation, präpariert werden. Während die Schwingungsbewegung bereits bei Raumtemperatur nahezu eingefroren ist, benötigt die Molekülrotation eine kryogene Umgebung, um in ihre niedrigsten Zustände zu relaxieren. Außerdem müssen die in einer Ionenquelle erzeugten Moleküle hinreichend lange gespeichert werden, um von einer Anfangstemperatur von einigen Tausend Kelvin (K) abzukühlen, bevor mit der eigentlichen Messung begonnen werden kann. Für das im CSR gespeicherte D2H+ zeigen Modellrechnungen, dass sich innerhalb von 15 Minuten etwa 80 % der Ionen in die Rotations-Grundzustände abregen. Dies entspricht den Bedingungen in interstellaren Wolken, mit einer typischen Temperatur von 50 K.
Die gespeicherten molekularen Ionen wechselwirken mit einem nahezu monoenergetischen Elektronenstrahl in einem der geraden Abschnitte des CSR. Dabei kann die relative Ionen-Elektronen-Geschwindigkeit auf den für eine interstellare Umgebung typischen Bereich abgestimmt werden. Die neutralen Fragmente aus dem Molekülaufbruch werden stromabwärts des Elektronentargets in Vorwärtsrichtung nachgewiesen. Etwa 1% der ursprünglich injizierten Ionen verbleibt nach 1000 Sekunden Kühldauer im Ring. Für jeden Messzyklus von etwa 20 Minuten wird die Rekombinationsrate sowohl zu Beginn als auch nach der Abkühlphase bestimmt.
Als vorhergesagte Folge der internen Kühlung wurde bei niedrigen Energien eine allgemeine Verringerung des Ratenkoeffizienten um einen Faktor von 3 bis 6 beobachtet. Darüber hinaus kann die Dominanz der niedrigsten Rotationszustände durch die Daten verifiziert werden. Der Vergleich mit theoretischen Ratenkoeffizienten, die von Physikern der University of Central Florida und der Purdue University berechnet wurden, zeigt eine sehr gute Übereinstimmung im Bereich der entsprechenden kinetischen Temperaturen unter 1000 K bis hinunter zu 100 K. Frühere Daten aus Untersuchungen bei Raumtemperatur zeigen bis zu einem Faktor 3 höhere Raten, verursacht durch angeregte Rotationszustände. Verbleibende Diskrepanzen bei noch niedrigeren Temperaturen können auf intrinsische Unsicherheiten in den ab-initio-Berechnungen zurückgehen.
Die neuen experimentellen Daten für kaltes D2H+ wurden unter umfänglicher Ausnutzung der einzigartigen Eigenschaften des CSR gewonnen. Sie deuten auf eine erhöhte Überlebenswahrscheinlichkeit dieser Molekülionen gegenüber dissoziativer Rekombination in interstellaren Umgebungen hin, was für die Deuterium-Anreicherung in Sternentstehungsgebieten von großer Bedeutung ist. Die Studie liefert auch Anhaltspunkte für die Anwendung der theoretischen Beschreibung auf H3+-Ionen, die mangels eines permanenten Dipolmoments sehr schwer zu kühlen sind. Die Ergebnisse einer ergänzenden Studie für H2D+ werden demnächst veröffentlicht, und derzeit werden neue Versuche unternommen, um die Herausforderung der Kühlung von H3+ zu bewältigen.
Originalpublikation:
Electron recombination of rotationally cold D2H+ ions
A. Znotins, A. Faure, C. H. Greene, M. Grieser, F. Grussie, L. W. Isberner, Á. Kálosi, V. Kokoouline, D. Müll, D. Paul, M. Pezzella, D. W. Savin, S. Schippers, J. Tennyson, A. Wolf, O. Novotný and H. Kreckel
Nature Communications 16, 7738 (2025). DOI: 10.1038/s41467-025-62734-6
Weblinks:
Abteilung „Gespeicherte und gekühlte Ionen“ (Klaus Blaum)