Hanle-Effekt für weiche Röntgenstrahlung zur Lebensdauermessung in hochgeladenen Ionen
/ via Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg /
Erstmals konnte der Hanle-Effekt im Bereich weicher Röntgenstrahlung in heliumähnlichen Stickstoffionen nachgewiesen werden. Dies eröffnet eine neue Methode zu Lebensdauermessung angeregter Zustände in hochgeladenen Ionen.
1924 lieferte der Physiker Wilhelm Hanle eine semiklassische Erklärung für die beobachtete Depolarisierung von Fluoreszenzlicht, das von einem Atom in einem Magnetfeld ausgesendet wird. Dieser „Hanle-Effekt“ wurde später im Jahr 1933 von Georg Breit im Rahmen der Quantentheorie beschrieben. Da der Grad der Polarisierung von der Lebensdauer der angeregten Atomzustände abhängt, erwies sich der Hanle-Effekt als praktisches Hilfsmittel zur Bestimmung der Lebensdauer optischer Übergänge. Traditionell wird bei Experimenten mit dem Hanle-Effekt ein ausgewählter angeregter Zustand untersucht, während das Magnetfeld variiert wird.
In einer aktuellen Studie haben Forschende unter Leitung des des Max-Planck-Instituts für Kernphysik (MPIK) in Heidelberg gezeigt, wie sich der Hanle-Effekt im Bereich weicher Röntgenstrahlung zur Lebensdauermessung in hochgeladenen Ionen für mehrere angeregte Zustände in einem festen Magnetfeld nutzen lässt. Sie nutzten hierzu linear polarisierte monochromatische weiche Röntgenstrahlung an der Elettra-Anlage in Triest (Italien), um eine Reihe von Übergängen in heliumähnlichen Stickstoff-Ionen anzuregen, die in einer am MPIK entwickelten kompakten Elektronenstrahl-Ionenquelle (EBIT) erzeugt wurden. Als Ergebnis beobachteten sie eine systematische Änderung der Winkelverteilung der Fluoreszenzstrahlung für die betrachtete Reihe der angeregten Zustände. Insbesondere wurde festgestellt, dass das Verhältnis der Emission in Richtungen parallel und senkrecht zur Polarisation der einfallenden Strahlung mit höherer Hauptquantenzahl n zunimmt – eine Manifestation des Hanle-Effekts.
Durch den Vergleich der experimentellen Daten mit theoretischen Vorhersagen konnten die Forschenden Lebensdauern in einem Bereich von Hunderten von Femtosekunden bis zu Dutzenden von Pikosekunden ermittelten. Die Ergebnisse stimmen hervorragend mit Atomstrukturberechnungen heliumähnliche Ionen überein, die theoretisch gut verstanden sind. Diese neue Methode auf dem Hanle-Effekt basierende Methode eröffnet einen allgemeinen Zugang zu den Lebensdauern angeregter Niveaus in hochgeladenen Ionen im Bereich weicher Röntgenstrahlung. In einem nächsten Schritt soll sie auf lithiumähnliche und andere isoelektronische Reihen in hochgeladenen Ionen angewendet werden, die für die Theorie noch eine Herausforderung darstellen. Experimentelle Ergebnisse für solche Übergänge sind von großer Bedeutung für die Analyse von Daten von Röntgen-Weltraumsatelliten sowie für Anwendungen in Magnetfeld- und Polarisationsstudien von heißen Plasmen.
Originalpublikation:
Hanle Effect for Lifetime Determinations in the Soft X-Ray Regime
Moto Togawa, Jan Richter, Chintan Shah, Marc Botz, Joshua Nenninger, Jonas Danisch, Joschka Goes, Steffen Kühn, Pedro Amaro, Awad Mohamed, Yuki Amano, Stefano Orlando, Roberta Totani, Monica de Simone, Stephan Fritzsche, Thomas Pfeifer, Marcello Coreno, Andrey Surzhykov and José R. Crespo López-Urrutia
Physical Review Letters 133, 163202 (2024). DOI: 10.1103/PhysRevLett.133.163202
Weblinks:
Gruppe „Dynamik hochgeladener Ionen“ am MPIK