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Paarplasma im Laborexperiment am CERN erzeugt

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/ via Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg /

Fast das gesamte sichtbare Universum befindet sich in einem Plasmazustand, dem vierten fundamentalen Zustand der Materie neben Festkörpern, Flüssigkeiten und Gasen. Während das Plasma im interstellaren Medium typischerweise aus Elektronen, ionisiertem Wasserstoff und anderen Kernen besteht, ist die Plasmazusammensetzung in der Nähe bestimmter kompakter astrophysikalischer Objekte wie Schwarzer Löcher und Neutronensterne bekanntlich ganz anders. Hier sind die elektromagnetischen Felder intensiv genug, um große Mengen von Elektronen und Positronen, dem Antiteilchen des Elektrons, zu erzeugen. Diese „Paarplasmen“ haben aufgrund der Massensymmetrie der beiden Spezies besondere Eigenschaften.

Während Paarplasmen in astrophysikalischen Systemen häufig vorkommen, erwies sich ihre Erzeugung in einem Labor als äußerst schwierig.

Nun hat ein internationales Wissenschaftsteam, darunter auch Forschende des MPIK erstmals experimentell relativistische Elektron-Positron-Paarplasmastrahlen hoher Dichte erzeugt, wobei zwei bis drei Größenordnungen mehr Paare erzeugt wurden als bisher bekannt. Die Ergebnisse des Teams wurden in Nature Communications veröffentlicht.

Dieser Durchbruch öffnet die Tür zu weiteren Experimenten, die grundlegende Erkenntnisse über die Funktionsweise des Universums liefern könnten.

„Die Erzeugung von Plasma-‚Feuerbällen‘ im Labor, bestehend aus Materie, Antimaterie und Photonen, ist ein Forschungsziel an der vordersten Front der Wissenschaft von Systemen hoher Energiedichte“, erlätuert der Hauptautor Charles Arrowsmith, Physiker an der Universität Oxford. „Aber durch experimentelle Schwierigkeit, Elektron-Positron-Paare in ausreichend großer Menge zu erzeugen, war unser Verständnis davon bisher auf rein theoretische Studien beschränkt.“

Die MPIK-Wissenschaftler Brian Reville und Thibault Vieu haben in Kollaboration mit Arrowsmith und anderen Wissenschaftlern ein neuartiges Experiment entworfen, welches die HiRadMat-Anlage am Super-Proton-Synchrotron (SPS) des CERN in Genf nutzt.

Dieses Experiment erzielte eine extrem hohe Ausbeute an quasi-neutralen Elektron-Positron-Paarstrahlen mittels mehr als 100 Milliarden Protonen aus dem SPS-Beschleuniger. Jedes Proton hat eine kinetische Energie von 440 Giga-Elektronenvolt. Stößt ein Proton mit einer so hohen Energie mit einem anderen Kern zusammen, löst es eine Kaskade mit einer Fülle an Sekundärprodukten aus, darunter Pionen, Myonen – und vor allem große Mengen von Elektronen und Positronen.

Mit anderen Worten: Der Strahl, den sie im Labor erzeugten, enthielt genügend Teilchen, um sich wie ein echtes astrophysikalisches Plasma zu verhalten.

„Die Experimente erkunden ein Plasmaregime, dessen Verständnis stark von numerischen Simulationen abhängt“, so Mitautor Brian Reville vom MPIK. „Und diese Simulationen sind rechenintensiv und in der Bandbreite der für sie zugänglichen Skalen begrenzt. Experimentelle Studien eröffnen daher spannende Perspektiven auf dem neuen Gebiet der relativistischen Laborastrophysik.“

„Unsere Laborarbeit wird es ermöglichen, Vorhersagen aus sehr anspruchsvollen Berechnungen zu testen und zu überprüfen, wie kosmische Feuerbälle durch das dünne interstellare Plasma beeinflusst werden“, sagt Mitautor Gianluca Gregori, ebenfalls von der University Oxford.

Neben dem MPIK, der Universität Oxford und dem CERN wirken folgende Institutionen an dieser Forschung mit: Science and Technology Facilities Council Rutherford Appleton Laboratory (STFC RAL), die Universität Strathclyde, das Atomic Weapons Establishment in Großbrittanien, das Lawrence Livermore National Laboratory und das Laboratory for Laser Energetics (LLE) der Universität Rochester in den USA, die Universität Island sowie das Instituto Superior Técnico in Portugal.

Gefördert wurde das Projekt von der Europäischen Union im Rahmen des Programms „Horizon Europe – Research and innovation“ unter der Föder-Nr. 101057511 (EURO-LABS).


Originalpublikation:

Laboratory realization of relativistic pair-plasma beams
C. D. Arrowsmith, P. Simon, P. J. Bilbao, A. F. A. Bott, S. Burger, H. Chen, F. D. Cruz, T. Davenne, I. Efthymiopoulos, D. H. Froula, A. Goillot, J. T. Gudmundsson, D. Haberberger, J. W. D. Halliday, T. Hodge, B. T. Huffman, S. Iaquinta, F. Miniati, B. Reville, S. Sarkar, A. A. Schekochihin, L. O. Silva, R. Simpson, V. Stergiou, R. M. G. M. Trines, T. Vieu, N. Charitonidis, R. Bingham & G. Gregori
Nature Communications 15, 5029 (2024). DOI: 10.1038/s41467-024-49346-2


Weblinks:

Forschungsgruppe „Theorie astrophysikalischer Plasmen“ (APT) am MPIK

HiRadMat (High-Radiation to Materials) am CERN


Pair-Plasma_Figure-1_de.png
Funktionsweise: Ein Proton (ganz links) aus dem Super-Protonen-Synchrotron (SPS) am CERN trifft auf Kohlenstoffkerne (kleine graue Kugeln). Daraus entsteht ein Schauer verschiedener Elementarteilchen, darunter eine große Anzahl neutraler Pionen (orangefarbene Kugeln). Wenn die instabilen neutralen Pionen zerfallen, senden sie zwei hochenergetische Gammastrahlen aus (gelbe Wellenpfeile). Diese Gammastrahlen wechselwirken dann mit dem elektrischen Feld der Tantal-Kerne (große graue Kugeln), erzeugen Elektron-Positron-Paare und erzeugen das neuartige Elektron-Positron-Feuerballplasma. Aufgrund der Kaskadeneffekte kann ein einziges Proton viele Elektronen und Positronen erzeugen, was diesen Prozess der Paarplasmaproduktion äußerst effizient macht.
Bildnachweis: Heather Palmer, University of Rochester Laboratory for Laser Energetics.

Quelle

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