Rabana-Merquly: War die Bergbefestigung auch ein Heiligtum der Partherzeit?
/ via universität heidelberg /
Die Wassergöttin Anahita wird zum ersten Mal in einer Schriftensammlung der zoroastrischen Religion, dem sogenannten Avesta, erwähnt. Dort erscheint sie als himmlische Quelle allen Wassers auf der Erde; beschrieben wird sie als überlebensgroße, schöne Frau, die die Gestalt eines fließenden Stroms oder Wasserfalls annehmen kann. Ihr Kult genoss insbesondere in den westlichen Regionen des Iraks zur Zeit der Seleukiden und Parther große Verehrung.
Die Vermutung, dass ein mögliches Anahita-Heiligtum Teil der Bergbefestigung Rabana-Merquly ist, basiert vor allem auf Funden architektonischer Erweiterungen in der natürlichen Umgebung eines saisonalen Wasserfalls, der sich auf dem Areal der Bergbefestigung befindet. In der Nähe entdeckten die Wissenschaftler zudem eine in einen Steilhang gehauene Skulptur, die an einen Altar erinnert. Darauf wurden möglicherweise Opfergaben oder Öl verbrannt. „Die Nähe zum Wasserfall ist von Bedeutung, denn die Verbindung der Elemente Feuer und Wasser spielte in der vorislamischen persischen Religion eine wichtige Rolle“, sagt Michael Brown.
Teil der Kultstätte sind die Überreste eines Gebäudes, in dem die Archäologen bei Grabungen im Jahr 2022 zwei Bestattungsgefäße fanden. Mithilfe der Radiokarbonmethode konnten die charakteristischen Krüge auf das zweite bis erste Jahrhundert vor unserer Zeit datiert werden. Dies lässt darauf schließen, dass das „Heiligtum“ während des Zeitraums genutzt wurde, in dem die befestigten Siedlungen von Rabana und Merquly entstanden sind. Ein möglicherweise bereits existierendes Heiligtum, das während der Partherzeit in dem Anahita-Kult aufging, könnte nach Angaben von Dr. Brown sogar mitausschlaggebend für die Besiedelung des Bergs gewesen sein.
Viele religiöse Stätten fungierten zu damaliger Zeit auch als dynastische Kultstätten, die der Verehrung des Königs und seiner Vorfahren dienten, wie der Heidelberger Archäologe erläutert. Verehrer, die sich dem „Heiligtum“ näherten, mussten unter dem Felsrelief des Herrschers hindurch laufen und waren sich zweifellos der engen Verbindung von Ort, Königtum und Kult bewusst. „Auch wenn sich die Kultstätte nicht mit letzter Gewissheit der Wassergöttin Anahita zuordnen lässt, da es an ähnlichen archäologischen Funden für einen direkten Vergleich mangelt, gewährt uns das Heiligtum in Rabana dennoch einen faszinierenden Einblick in die regionalen sakralen und geopolitischen Verflechtungen während der Partherzeit“, sagt Dr. Brown.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert die aktuellen Forschungsarbeiten in Rabana-Merquly. Die jüngsten Ausgrabungen unter der Leitung von Michael Brown wurden in Zusammenarbeit mit dem Slemani Antiquities Directorate in Irakisch-Kurdistan durchgeführt. Die aktuellen Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Iraq“ erschienen.