IAACD & EACD Kongress fördert Netzwerke für Kinder mit angeborenen Behinderungen
/ via universitätsklinikum heidelberg /
Beispiel MYT1L-Syndrom: Heidelberger Netzwerk vom Molekül bis in die Klinik
Zum Kongress kommen Teilnehmende aus rund 80 Ländern nach Heidelberg, um gemäß dem Motto des Kongresses „Developing Networks – Networks for Development“ Netzwerke zu knüpfen, die Kinder weltweit in ihrer Entwicklung unterstützen. Ein solches Netzwerk von der Forschung bis zur klinischen Versorgung ist in Heidelberg für das sogenannte MYT1L-Syndrom entstanden. Das MYT1L-Gen ist ein Teil des menschlichen Erbguts, das die Entwicklung von Nervenzellen steuert und die Aktivität von Gehirnzellen reguliert. Veränderungen des MYT1L-Gens wirken sich vielfältig auf die Entwicklung betroffener Kinder aus: Sie beginnen oft vergleichsweise spät mit dem Sprechen, zeigen ein auffälliges Verhalten mit autistischen Merkmalen, haben ein vermindertes Sättigungsgefühl mit einhergehendem Übergewicht, leiden unter Epilepsie oder Schlafstörungen. Für Matilda, eine junge Patientin mit MYT1L-Syndrom, ist es unter anderem sehr schwer, auf sie einwirkende Reize zu filtern. Alltägliche Situationen wie ein Spaziergang durch die Stadt können sie überreizen und aus dem Gleichgewicht bringen. Als „Gewitter im Kopf“ beschreiben Eltern diese Reizüberflutung. Sie erschöpft die Kinder und entlädt sich in häufigen Wutanfällen.
In der Regel sind Kinder mit Beeinträchtigung wie Matilda bei Kinderärzten oder bei einem Sozialpädiatrischen Zentrum in Behandlung. „Zu uns ans Universitätsklinikum Heidelberg kommen sie, um abzuklären, ob die Beeinträchtigung genetisch bedingt ist“, sagt Dr. Christian Schaaf, W3-Professor für „Humangenetik“ der Medizinischen Fakultät Heidelberg und Geschäftsführender Ärztlicher Direktor des Instituts für Humangenetik des UKHD. Das Universitätsklinikum ist dabei eines von rund 20 spezialisierten Zentren in Deutschland, das am bundesweiten Modellvorhaben Genomsequenzierung teilnimmt. Die Diagnostik geht dabei allerdings deutlich über die reine Genomsequenzierung, also die Untersuchung des menschlichen Erbguts in einer Blutprobe hinaus. „Wir erheben auch sehr detailliert klinische Informationen, welche Einschränkungen vorliegen und dokumentieren sie präzise anhand von Klassifizierungen wie der Human Phenotype Ontology (HPO)“, so Schaaf. Dazu führen die Ärztinnen und Ärzte bei den Kindern genaue körperliche Untersuchungen und Funktionstests, wie beispielsweise Koordinationsübungen, durch oder beobachten, wie sie mit anderen Menschen interagieren. „Eine möglichst exakte und umfassende Beschreibung der Symptomatik hilft uns, seltene Erkrankungen besser zu verstehen und dieses Wissen weltweit verfügbar zu machen“, erläutert Schaaf.