Interdisziplinäre Forschung soll neue, dringend benötigte Insektizide zur Bekämpfung der Malaria liefern
/ via universitätsklinikum heidelberg /
Moskitonetze, die mit Insektiziden behandelt sind, sind die wirkungsvollste Maßnahme zur Vorbeugung einer Erkrankung an Malaria. Die Malaria-Bekämpfung ist jedoch gefährdet, weil die Moskitos zunehmend resistent gegen die hier verwendeten Chemikalien sind. Neue Wirkstoffe, die spezifisch die Malaria-übertragende Anopheles-Mücke angreifen, sind schwer zu finden. Deshalb verfolgen Dr. Victoria Ingham, Juniorprofessorin an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg, angesiedelt am Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), und Dr. Carsten Hopf, Professor für Bioanalytik und Arzneimittelentwicklung der Technischen Hochschule Mannheim und Mitglied im Forschungsschwerpunkt „Translationale Neurowissenschaften“ an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, nun einen neuen Ansatz. Sie bündeln ihre Expertise zur Biologie der Anophelesmücke, der Massenspektrometrie und der Bioinformatik, um neue Insektizide zu entdecken sowie passgenau zu designen. Ihre Technologieentwicklung wird von der Gates Foundation im Rahmen eines internationalen Verbundprojekts mit rund zwei Millionen Euro gefördert.
Der Kampf gegen Malaria ist ein Wettlauf gegen Resistenzen
Vor allem die Resistenzentwicklung gegen Insektizide aus der Gruppe der sogenannten Pyrethroide, mit denen Standard-Netze behandelt sind, macht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Sorgen. Je weniger Erfolg diese Form der weit verbreiteten und kostengünstigen Malariabekämpfung hat, desto mehr wird die Malaria wieder zunehmen. In den letzten zwei Jahren sind daher Netze der neuen Generation, bei denen ein weiteres Insektizid aufgebracht wird, verstärkt im Einsatz. Da mit der Zeit jedoch auch hier Resistenzen zu erwarten sind, ist es wichtig, rechtzeitig neue, wirksame und für Menschen und andere Lebewesen unschädliche Insektizide parat zu haben, um Netze und auch Innenräume damit zu behandeln.
Die erfolgreiche Suche wird dadurch behindert, dass die viele Insektizide aus dem Bereich der Agrochemie kommen. Diese Chemikalien, die zur Bekämpfung von pflanzenschädigenden Insekten eingesetzt werden, sind in der Regel wasserlöslich und werden von den Insekten über den Verdauungstrakt aufgenommen. Bei Netzen, die mit Kontakt-Insektiziden überzogen sind, ist die Lage anders: Die Anopheles-Moskitos nehmen die Insektizide beim Landen auf dem Netz mit den Beinen über ihre äußere Hülle, die Cuticula auf, die das Tier schützt und stützt. Weil die Cuticula wachsartige Stoffe enthält, stößt sie Wasser ab und erschwert dadurch das Eindringen wasserlöslicher Wirkstoffe.
Die Verfügbarkeit vielfältiger Insektizide soll Resistenzen verhindern
„Wir benötigen dringend neuartige Verfahren, mit denen wir spezifische Insektizide für Anopheles finden, die die Cuticula überwinden und sich im Gewebe der Mücke verteilen können,“ betont Victoria Ingham. Im Idealfall könnten verschiedenen Mittel immer wieder abgewechselt werden, damit die Moskitos keine Chance hätten, Resistenzen gegen sie zu entwickeln. In ihrer Zusammenarbeit mit Carsten Hopf sieht Victoria Ingham das Potential, eine Technologie zu entwickeln, mit der neuartige Wirkstoffe gefunden und zielgerichtet hergestellt werden können. Hierzu züchtet Ingham Anophelesmücken, auch solche, die resistent gegen die herkömmlichen Insektizide sind. In deren Zellen untersucht sie die Resistenzmechanismen und mögliche Angriffsstellen für neue Wirkstoffe. Bei Carsten Hopf kommen Massenspektrometrie und Bioinformatik zum Einsatz, um Zusammensetzung und Eigenschaften der Insektizide und deren räumliche Verteilung in Geweben sichtbar zu machen. Gemeinsam können die beiden Experten schlussfolgern, an welchen Stellen die Chemikalien verändert werden sollten, damit sie besser aufgenommen werden und das Insekt ausschalten können. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sollen für die Produktion neuer Insektizide durch den klinischen Chemiker Dr. David Hong von der University of Liverpool genutzt werden.
Technologietreiber Life Science Region Heidelberg – Mannheim
„Bei unserer Zusammenarbeit steht die technologische Entwicklung im Vordergrund,“ sagt Carsten Hopf. In Heidelberg und Mannheim ermöglicht die Gates Foundation den Aufbau eines interdisziplinären Teams für zunächst drei Jahre. Die Antragstellung basierte auf Arbeiten von Jun.-Prof. Ingham und Prof. Hopf, die vom Innovationscampus Health and Life Science Alliance Heidelberg Mannheim unterstützt wurden.
Im aktuellen Bericht zur weltweiten Malaria-Lage schätzt die WHO, dass durch Bekämpfungsmaßnahmen seit dem Jahr 2000 2.2 Milliarden Fälle von Malaria und 12.7 Millionen Tote vermieden werden konnten. Die Krankheit bliebe aber eine ernsthafte Bedrohung der globalen Gesundheit, besonders in Afrika. Im Jahr 2023 geht die WHO von 263 Millionen Fällen und 597 000 Malaria-Toten weltweit aus. Vor allem Kinder im Alter unter 5 Jahren sterben an der Erkrankung, die zu den gefährlichsten Infektionskrankheiten der Welt zählt.