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Petra Dallmann begleitet das deutsche Team nach Paris

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/ via universitätsklinikum heidelberg /

Frau Dallmann, Sie begleiten als Psychiaterin und Psychotherapeutin das deutsche Paralympics-Team nach Paris. Warum?

Petra Dallmann: Das IOC und das IPC haben seit den letzten Spielen eine neue Akkreditierung geschaffen, der Welfare Officer, der für das psychische Wohlbefinden der Athleten sorgen und das Team begleiten soll.

Was erhoffen sich die Paralympics-Teilnehmer davon?

Petra Dallmann: Das Thema psychische Gesundheit ist im Leistungssport sehr groß geworden, weil sich in den letzten Jahren sehr viele Sportler, aber auch Trainer, offen bekannt haben zu psychischen Erkrankungen.

Und wie kommen Sie zu dieser Aufgabe?

Petra Dallmann: Ich arbeite seit vier Jahren mit dem Deutschen Behindertensportverband zusammen. Begonnen hat es mit einem wissenschaftlichen Projekt, einem Gesundheits-Monitoring. Nach ein paar Jahren hat man beschlossen, nicht nur nach Verletzungen und Infekten zu fragen, sondern auch nach dem psychischen Befinden. Und jedes Jahr haben circa neun bis zehn Prozent der Athleten eine Beratung gewünscht, speziell hinsichtlich psychischer Beschwerden. Da wurde allen klar, da ist Bedarf.

Welchen speziellen Belastungsfaktoren sind die Paraolympioniken ausgesetzt?

Petra Dallmann: Zu unserer Überraschung unterscheiden sie sich nicht sehr von dem, was wir sonst bei Sportlern als Stressfaktoren kennen. Das ist natürlich das Organisatorische, die Vereinbarkeit von Ausbildung, Beruf und Sport, Stress mit Funktionären, und Trainer oder innerhalb der Mannschaft. Ein Punkt, der häufiger genannt wird als sonst bei Sportlern, sind körperliche Beschwerden, die teilweise mit den Handicaps oder Grunderkrankungen verknüpft sind. Es gibt mehr gesundheitliche Komplikationen, das führt natürlich zu einer zusätzlichen Belastung. Was wir generell aus dem Leistungssport wissen: Gefährdet für psychische Beschwerden sind Sportler, die verletzt sind, vor allem, wenn die Verletzung kompliziert ist oder der Heilungsprozess langwierig ist. Das versuchen wir im Blick zu haben.

Welche Rolle spielen die Medien, dass man nicht nur für sich selbst gewinnen möchte oder vor den Mitbewerbern und Mitstreitern, sondern auch vor aller Welt nur Zweiter wird oder womöglich ausscheidet?

Petra Dallmann: Natürlich stehen die Sportler unter Beobachtung, auch selbst herbeigeführt, indem sie täglich ihre Social-Media-Accounts pflegen. Hier erleben Sportler, wie auch andere Menschen in der Öffentlichkeit, teilweise schwer zu verdauenden Reaktionen.

Wie können Sie den Paralympics-Teammitgliedern helfen, wenn Sie nach Paris mitfahren?

Petra Dallmann: Zunächst haben wir schon im Vorfeld einen Vorbereitungs-Workshop angeboten „Mental fit für Paris“. Dann ist in Paris einfach jemand da, mit dem man unkompliziert jederzeit sprechen kann, über Akutes, aber vielleicht auch Fragen, die man schon länger mit sich herumträgt. Wir verfolgen mit dem DBS das mittel- und langfristige Ziel, für die nächsten Jahre einen konstanten Ansprechpartner zu haben im Verband für Sportler, aber auch für Trainer, für Physiotherapeuten, hinsichtlich Fragen zu psychischen Beschwerden oder Erkrankungen. Durch meine Präsenz hoffe ich die Hürden für eine schnelle Unterstützung bei zukünftigen Symptomen zu senken und für das Thema insgesamt zu sensibilisieren.

Es gibt es auch Trainer, die sich an Sie wenden?

Petra Dallmann: Ja, gibt es auch. Entweder, weil sie Sorgen um ihre Athleten haben oder aber auch mit eigenen Beschwerden. Natürlich erleben auch Trainer einen hohen Druck, erfolgreich zu sein.

Spielen auch finanzielle Hintergründe eine Rolle?

Petra Dallmann: Natürlich, im Leistungssport spielen existenzielle Gründe auch eine Rolle, man muss schon jedes Jahr einen Leistungsnachweis bringen, um weiter gefördert zu werden. Und für die Profis ist es ihr Beruf, mit einem Einkommen, dass aber immer sehr leistungsabhängig ist.

Sie waren selbst im Leistungssport aktiv, wie ging es Ihnen, hätten Sie auch gerne einen Psychotherapeuten oder eine Psychiaterin dabeigehabt?

Petra Dallmann: Wenn ich ganz ehrlich bin hätte ich wahrscheinlich eher ein bisschen geschmunzelt, was das denn jetzt soll. Ich habe lange gebraucht, um überhaupt mit einem Sportpsychologen zusammenzuarbeiten, was dann für mich sehr hilfreich war. Ich habe meine Leistungssportzeit als eine sehr positive Erfahrung erlebt, weshalb ich lange Zeit dachte, dass es allen so geht. Erst im Rückblick würde ich einige Situationen anders bewerten mit der Erfahrung, die ich durch meine Ausbildung in der Klinik und in den letzten 12 Jahren in der Sportpsychiatrie gemacht habe. Ich weiß jetzt aber auch, welche Faktoren mir geholfen haben, dass es für mich so eine gute Zeit war.

Können Sie die benennen?

Petra Dallmann: Für mich hilfreich war, dass ich erst sehr spät gut geworden bin. Das heißt, ich habe eigentlich in meiner Jugend auf nichts verzichten müssen. Ich habe andere Interessen entwickeln können. Ich war in der Schule normal dabei, konnte mit ins Landschulheim gehen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich über Jahre schon ganz viel aufgegeben habe in meinem Leben. Ich hatte keinen Druck aus dem Elternhaus. Meine Eltern waren zwar sportlich, aber weit weg entfernt von Leistungssport. Und geholfen hat mir auch, parallel eine Ausbildung zu machen, die mir gefällt, weil ich jederzeit sagen konnte: Wenn es im Sport nicht läuft, na ja, ich studiere ja Medizin, dann werde ich halt Ärztin. Das hat mir umgekehrt auch im Studium geholfen, wenn ich irgendwo durchgefallen bin. Dann habe ich gesagt: Na ja, jetzt gehe ich erstmal schwimmen.

Ist die Zeit nach der aktiven Phase auch eine besonders kritische Phase?

Petra Dallmann: Ja, der Karriereübergang ist ein Risikozeitraum. Das weiß man gerade für Sportler, wo das Karriereende plötzlich kommt, zum Beispiel verletzungsbedingt oder man aussortiert wird aus einer Mannschaft. Und es schützt, wenn man gut vorbereitet ist und ein zweites Standbein hat; wenn der Selbstwert, die existenzielle Grundlage, der Freundeskreis nicht nur vom Sport abhängt. Da gibt es in Deutschland jetzt einige neue Angebote zum Beispiel Workshops fürs Karriereende. Auch wir am OSP werden dieses Jahr erstmalig im Herbst ein Wochenende anbieten mit dem Thema Karriereende, um den Athleten, die nach den Spielen ihre Karriere beenden, zu ermöglichen, einfach mal zusammenzukommen, sich auszutauschen und gemeinsam den kommenden Lebensabschnitt vorzubereiten.

Ist es nach wie vor eher ein Tabu, über psychische Probleme im Leistungssport zu sprechen?

Petra Dallmann: Ich denke, dass sich in den letzten Jahren wirklich etwas getan hat. Ich hatte zum Beispiel im Olympiastützpunkt am Anfang ein Büro, in das man heimlich zu mir kommen konnte, damit keiner sieht: Aha, der / die geht zur Psychotherapeutin. Das ist überhaupt nicht mehr notwendig, die Hemmungen sind zum Glück gesunken. Es gibt auch zunehmend Trainer, die ihre Sportler schicken. Insgesamt sind wir mit der Entstigmatisierung noch nicht am Ende, aber es geht voran.

Haben Sportler mehr oder andere psychische Probleme als die Normalbevölkerung?

Petra Dallmann: Insgesamt kommen psychische Erkrankungen genauso häufig vor. Die Verteilung ist ein bisschen anders. Depressionen und Ängste finden wir ungefähr gleich häufig. Psychische Erkrankungen wie Schizophrenien, bipolare Störungen sind seltener, weil da die Beeinträchtigungen oft zu stark sind um damit Leistungssport zu treiben. Häufiger als in der Normalbevölkerung finden wir Essstörungen.

Womit hängt das zusammen?

Petra Dallmann: Ein geringes Gewicht bringt in vielen Sportarten Vorteile. In manchen Sportarten ist es auch eine ästhetische Voraussetzung. Schlanke / dünne Körper erwartet das Kampfgericht: Die Röcke sind kurz, der Turnanzug knapp. Meist sind es aber Wettbewerbsvorteile. Wenn ich hochspringe oder weit laufe und weniger Gewicht habe, hilft es mir. Und dann geht man natürlich an die Grenze des Gesunden oder auch mal drüber. Und natürlich bereitet ein jahrelanges Schauen nach der perfekten Ernährung, nach dem optimalen Gewicht, dem ständigen Wunsch, möglichst dünn zu sein, den Boden für eine Essstörung. Es gibt leider auch immer noch Vorkommnisse wie das Wiegen vor der ganzen Trainingsgruppe, oder Kommentare vom Trainer, die unkritisch Gewicht und Leistung miteinander verknüpfen, und das in einer sensiblen Entwicklungszeit, wie der Pubertät. Die kann auffälliges Essverhalten zusätzlich fördern.

Werden solche Rituale hinterfragt?

Petra Dallmann: Da sind wir dabei. Ich bin immer wieder erstaunt, dass es die überhaupt noch gibt. Aber in den Trainerfortbildungen ist das heutzutage Thema, wie man anders mit dem Thema Gewicht umgehen kann.

Haben Sie einen Ratschlag an angehende Paraolympioniken oder Olympioniken, wie man psychischen Belastungen vorbeugen kann?

Petra Dallmann: Für viele ist es hilfreich, wenn der Sport nicht alles im Leben ist, wenn noch Schulfreunde da sind, eine Ausbildung läuft, Zeit für ein Familientreffen bleibt, man sich Urlaub gönnt. Und im Nachhinein hätte mir hier und da eine Pause mehr geholfen, als immer noch eine Trainingsbelastung oben drauf zu setzen, zum Beispiel wenn ich krank war.

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