Muslimische Akademie in der Bahnstadt
/ via stadtteilverein bahnstadt /
Am 18.9.2023 lud der Stadtteilverein Bahnstadt e. V. zur Informationsveranstaltung „Muslimische Akademie“ ein. Zu acht folgten wir dem engagierten Vortrag von Yasemin Soylu, Geschäftsführerin der Muslimischen Akademie Heidelberg i.G in Begleitung von Dr. Elvira Bijedic, Referentin der Geschäftsführerin.
Es kam zu spannenden Fragen und Gedanken zu Geschichte und Tätigkeiten der Muslimischen Akademie in Heidelberg als auch zur Bedeutung einer Muslimischen Akademie als Institution in der Bahnstadt, bevor es an die Präsentation der vier vorgestellten Bauentwürfe für die Akademie ging.
Natürlich assoziieren viele Menschen „muslimisch“ mit dem Islam. Dieser wird jedoch häufig gleichgesetzt mit Islamismus als extremistische Strömung, der Negativzuschreibungen und Ängste hervorruft. Die Akademie verfolgt zivilgesellschaftliches Engagement von Musliminnen und Muslimen, das mittlerweile selbstverständlich in zahlreichen Bereichen vertreten ist. Es gilt, „ […] die gesellschaftliche Polarisierung in den Themenfeldern Islam und muslimisches Leben überwinden [zu] können […].“ (Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (2021): Muslimisch-Zivilgesellschaftliche Bildungsträger in Deutschland – Bestandsaufnahme und Selbstportraits, hrsg. Von der Muslimischen Akademie i. G. Teilseiend e. V., S. 4).
Ins Leben gerufen wurde die Idee zur Muslimischen Akademie vor 12 Jahren, um den Fragen nachzugehen, wo muslimisches Leben sichtbar ist und wo sich zivilgesellschaftliches Engagement dessen in der Gesellschaft widerspiegeln kann. Dabei spielt Verantwortung zu übernehmen und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben eine zentrale Rolle. Die 20 Gründungsmitglieder setzen sich aus unterschiedlichsten muslimischen Menschen zusammen, von liberal bis konservativ, und bilden die Pluralität muslimischen Lebens ab. Alle Gründungsmitglieder leben in Heidelberg und begannen ehrenamtlich die Akademie aufzubauen. Weil die Muslimische Akademie Heidelberg selbst noch keine Rechtsform besitzt, wird diese aktuell noch von Teilseiend e.V. und Mosaik Deutschland als Trägervereine repräsentiert und finanziert.
Frau Soylu erläuterte, dass sich die Muslimische Akademie mit ihrer Gründung ausschließlich einem zivilgesellschaftlichem Bildungsauftrag verschrieben hat und Bildungsveranstaltungen ausrichtet, womit sie sich am Vorbild der evangelischen und katholische Akademien in Deutschland anlehnt. Die Muslimische Akademie unterscheidet sich von den genannten christlichen Akademien dahingehend, dass diese immer bzw. oftmals durch Erzdiözesen und Bistümer bzw. Landeskirchen oder kirchliche Gemeinden getragen werden. Die Muslimische Akademie hingegen agiert institutionell unabhängig von muslimischen Gemeindestrukturen aus dem In- oder Ausland, auch von den beiden Gemeinden, die es in Heidelberg gibt: die Yavuz Sultan Selim Moschee und der Verein für Muslime in Heidelberg.
Weiter hob die Geschäftsführerin hervor, dass die Akademie sich nicht als Glaubensgemeinschaft versteht und keine religiöse Bildung betreibt. Vielmehr ist die Muslimische Akademie eine Plattform für Konferenzen, Tagungen, und Symposien, um damit eine Brücke zu bilden, zwischen wissenschaftlicher Islamischer Theologie (Ausbildung von deutschsprachigen TheologInnen, ReligionslehrerInnen und Imame) und den muslimischen Gemeinden (Moscheen als Orte der Religionspraxis). Nach dem Vorbild der christlichen Akademien in Deutschland wird so Glaube – Wissenschaft – und Gesellschaft an einem Diskursort zusammengedacht.
Gefördert wird die Muslimische Akademie Heidelberg mit ihren Trägervereinen im Rahmen ihrer Bildungsarbeit über Projektmittel, zum Beispiel über die Bundeszentrale für politische Bildung oder das Bundesfamilienministerium. Ziel ist es, mit der Muslimischen Akademie eine Struktur aufzubauen, die unabhängig von ausländischer Finanzierung langfristig existiert.
Zwar hat die Muslimische Akademie Heidelberg ein Büro in der Weststadt, jedoch keine eigenen Veranstaltungsräume. Ohne eigene Veranstaltungsräume ist die Muslimische Akademie als sogenannte „Wanderakademie“ unterwegs, mietet sich also für Veranstaltungen in Bildungseinrichtungen oder Tagungsorte ein. Veranstaltungen richtet die Muslimische Akademie Heidelberg im ganzen Bundesgebiet aus, nicht nur in Heidelberg, wie der Name vermuten lassen könnte. In Heidelberg finden die diversen Veranstaltungen u. a. im Karlstorbahnhof, in den Heidelberger Bürgerhäusern oder im Forum am Park statt. KooperationspartnerInnen in Heidelberg sind z. B. die Stadt Heidelberg, der Migrationsbeirat der Stadt Heidelberg, die evangelische und katholische Kirche sowie die jüdische Kultusgemeinde, die Pädagogische Hochschule, der Karlstorbahnhof e.V., um nur einige zu nennen. Jährlich finden bereits mehr als 150 Veranstaltungen statt. Einige auch für Kinder, wie zum Beispiel die Interreligiösen Ferienangebote. Jetzt gilt es in Heidelberg in eigenen Räumen Fuß zu fassen und dort einen Bildungsort zu errichten.
Daher soll das zukünftige Gebäude der Akademie auch kein muslimisch-religiöses Gebäude sein, sondern ein Bildungsort zur Ausrichtung von Veranstaltungen, um diese als bundesweit sichtbare Bildungsstätte in der Bahnstadt zu etablieren. Der grundsätzliche Zweck des Gebäudes soll trotzdem aus der Architektur ersichtlich sein. Das ganze Architekturprojekt begann im Rahmen des IBA-Prozesses im Frühjahr 2013. Ende Juli diesen Jahres konnte man die daraus 25 eingereichten Entwürfe im Dezernat 16 bestaunen. Vier Modell kamen in die engere Auswahl (vgl. https://www.bahnstadtverein.de/berichte-details/items/muslimische-akademie-heidelberg-baut-in-der-bahnstadt.html, aufgerufen am 19.9.2023).
Wichtige Kriterien für die Akademie sind Transparenz in der Bauweise mit einladenden Zugängen für alle zur Akademie. Außerdem soll sich das Gebäude von gewöhnlichen Wohn- und Bürohäusern abheben. Es soll nicht als Sakralbau mit Kuppel, Halbmond und Minarett erscheinen, sondern durch besondere Ornamentik oder andere interessante Baumaterialien das Alleinstellungsmerkmal der Muslimischen Akademie widerspiegeln. Außerdem ist Gastronomie (auch für die Öffentlichkeit) vorgesehen. Seminarräume und ein großer Saal mit Bühne – vergleichbar mit unserem Bürgersaal, runden das Konzept ab. Die Räume können von allen Menschen gebucht werden. Unser Mitglied Petra Eggensperger ist Juryangehörige des Architekturwettbewerbs, die in ihrer Funktion unseren Stadtteilverein vertritt. Ende November kommt die Jury wieder zusammen, um über die Endauswahl zu entscheiden.
Das Bauvorhaben wird kostspielig, man rechnet mit mindestens 35 Millionen Euro, wobei die Finanzierung noch nicht gesichert ist. Mit der Nominierung eines Siegerentwurfs soll das Fundraising erleichtert werden, auch mit Bund und Land, die das Bauvorhaben mit fördern sollen.
Nachdem die Teilnehmenden nach dem interessanten Abend viel über muslimisches Leben in Heidelberg und der Arbeit der Muslimischen Akademie erfahren haben, als auch mit den vier vorgestellten Modellen vertraut wurden, entschied sich die große Mehrheit für ein besonderes Modell, welches eine ganz andere architektonische Sprache spricht, als die anderen drei Modelle.
Gegen 22 Uhr endete die Veranstaltung und weitere Planungen sind bereits im Gange für neue Begegnungen mit Yasemin Soylu, ihrem Team, interessierte Mitmenschen und unserem Bahnstadtverein.
Gemeinsam gestalten!
Weitere Infos:
https://muslimische-akademie-heidelberg.de/ueber-uns/partner
https://www.teilseiend.de/projekt-portfolio/aus-dem-glauben-heraus/