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Im Interview: Professorin Winkler – Mitglied im Deutschen Ethikrat

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/ via universitätsklinikum heidelberg /

Stefanie Seltmann: Frau Winkler, Sie sind in den Deutschen Ethikrat gewählt worden, herzlichen Glückwunsch!

Eva Winkler: Danke schön.

Stefanie Seltmann: Haben Sie sich gefreut?

Eva Winkler: Ja, ich habe mich gefreut. Ich habe aber auch erstmal innegehalten und geschaut, ob ich das zeitlich leisten kann. Und auch mit denjenigen, die in verschiedenen Funktionen in dem vorherigen Rat waren, gesprochen. Und daraufhin habe ich einige Sachen abgesagt oder beendet, um Freiraum zu schaffen. Und dann habe ich zugesagt.

Stefanie Seltmann: Sie sind Medizinethikerin. Was können Sie beitragen in diesem Deutschen Ethikrat?

Eva Winkler: Der Ethikrat hat ja die Rolle, den Bundestag zu beraten, um ethische Themen von gesellschaftlicher Relevanz aufzunehmen und multidisziplinär mit vielen Perspektiven aufzuarbeiten mit den Handlungskorridoren, die man in einer demokratischen, pluralistischen Gesellschaft vorgeben kann. Aber er soll eben auch neue Technologien, die aus der Forschung in die Versorgung kommen, aufgreifen und ethisch beleuchten. Also auch Themen wie Big Data, die Sekundärnutzung von Daten, oder die Robotik-und-Pflege-Stellungnahme. Und das ist ja im Grunde mein Hauptforschungsbereich: Translation, Erkenntnisse und Forschungsergebnisse, die so weit entwickelt sind, dass man die ersten Studien mit Menschen startet oder die sogar in die Versorgung kommen. Insofern ist es inhaltlich sogar ein Synergismus.

Stefanie Seltmann: Woher rührt Ihr Interesse an der Medizinethik? Gab es einen Schlüsselmoment oder war das schon immer da?

Eva Winkler: Das philosophische Interesse hatte ich schon vor dem Studium. Ich hatte auch überlegt, ob ich sogar Richtung Philosophie gehe. Aber tatsächlich ist das Interesse wirklich aus der klinischen Tätigkeit gekommen, weil wir in so vielen Bereichen Wertfragen haben. Etwa im Behandlungsverlauf: Es ist es nicht deshalb schwierig zu entscheiden, weil man nicht weiß, was medizinisch, therapeutisch, diagnostisch möglich ist, sondern weil sich Bewertungsfragen auftun. Etwa die Abwägung von Nutzen und Nebenwirkungen von bestimmten Therapien bei fortgeschrittener Tumorerkrankung. Wie verhandeln wir das mit dem Patienten und der Familie? Das weiß auch der Patient noch nicht immer gleich, wie intensiv er behandelt werden möchte, wie wichtig Lebenszeit im Verhältnis zur Lebensqualität ist. Man muss das gemeinsam herausfinden. Und wir entwickeln Empfehlungen, die es im akuten Einzelfall leichter machen, weil man vorher schonmal darüber nachgedacht hat. Und in Heidelberg ist das ist nicht nur im klinischen Ethikbereich so, sondern auch ganz stark in der Forschung, dass auch die Forschenden diese vorausschauende Blickweise haben. Ein typisches Beispiel ist die Genomsequenzierung: Wenn das jetzt verfügbar wird und wir das bei vielen Patienten durchführen, was bedeutet das? Wie gehen wir mit den Befunden um?

Stefanie Seltmann: Jetzt haben Sie angegeben, dass Sie sich besonders für KI und Robotik in der Medizin interessieren. Gibt es da besondere ethische Probleme, neue ethische Probleme oder Herausforderungen?

Eva Winkler: Da gibt es tatsächlich neue Fragen. Neu ist vielleicht bei den Daten tatsächlich die Gefahr, dass eine Schieflage in den Daten besteht, die sich dann wie in einer Lupe vergrößert. Wenn wir zum Beispiel zu wenig Daten von Frauen haben, kann die darauf aufbauende Medizin nicht gut sein, weil wir einfach keine gute Repräsentation beider Geschlechter in den Daten haben, mit denen die Algorithmen trainiert werden. Das Gleiche gilt für Hautfarbe und so weiter. Und natürlich stellt sich die Frage: Wo ist die menschliche Letztverantwortung, wenn zunehmend die automatisierten Systeme die Bilder schneller erfassen und uns überlegen sind in der Schnelligkeit der Verarbeitung? Vielleicht sagen Patienten irgendwann: Ich will lieber die KI, die besser ist, als ein Arzt. Aber wer übernimmt die Verantwortung, wenn die KI mal nicht Recht hat?

Stefanie Seltmann: Sie kommen gerade von der ersten Sitzung, der konstituierenden Sitzung in Berlin. Wie war es?

Eva Winkler: Das war sehr spannend, und es war nochmal ein viel breiteres Spektrum an Expertisen im Raum: Theologen, Wirtschaftswissenschaftler, umfassend forschende Soziologen, Umweltethiker Aus der sozialen Arbeit kommen einige, aus der Selbsthilfe, aus der Krebsselbsthilfe… Und alle machen einen sehr engagierten, interessierten und motivierten Eindruck. Es ist eine große Gruppe mit 24 Leuten. Auch das wird sicher nochmal eine neue Erfahrung, wie man da eine gemeinsame Stellungnahme schreibt.

Stefanie Seltmann: Glauben Sie, der Deutsche Ethikrat hat einen substanziellen Einfluss auf die Politik?

Eva Winkler: Wie groß sein Einfluss tatsächlich ist, ist schwer zu sagen. Aber der Deutsche Ethikrat hat auf jeden Fall eine größere Sichtbarkeit nach der Pandemie. Die Bundestagspräsidentin hatte uns ja eingesetzt und war bei der konstituierenden Sitzung auch anwesend. Sie hat nicht nur eine kurze Einführungsrede gehalten, sondern es gab auch eine spannende Diskussion, weil wir sie auch gefragt haben: Was hat das eigentlich für einen Impact? Und sie sagte, dass gerade diese Stellungnahmen bei den aktuellen Themen für die Bundestagsabgeordneten wirklich eine Hilfe sind. Vor allem auch bei Themen, die fraktionsübergreifend entschieden werden. Sie hat uns gesagt, wir sollen unsere Arbeit nicht unterschätzen, weil sie zwar nicht den Ausgang einer bestimmten Diskussion entscheidet, aber Orientierung gibt. Ich wäre da bescheidener herangegangen, aber vielleicht hat sie uns das auch gesagt, um uns zu motivieren.

Stefanie Seltmann: Vielen Dank Frau Winkler und viel Freude im Deutschen Ethikrat.

Eva Winkler: Vielen Dank.

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