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Unsere Kritik zur Auszeichnung Heidelbergs als fuß- und radfreundliche Kommune am 25. Oktober 2024

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/ via radentscheid /

Am 09. November 2024 veröffentlichte die RNZ einen Artikel mit der Überschrift: Ist Heidelberg wirklich eine fuß- und radfreundliche Kommune? Anlass dieses Artikels ist die Auszeichnung Heidelbergs durch die Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e.V. (AGFK). Der Artikel beinhaltet Auszüge unserer Stellungnahme, in der wir die Anforderungen der Auszeichnung der tatsächlichen Situation gegenüberstellen.

Hier der Link zum Artikel (€): Kritik an Auszeichnung: Ist Heidelberg wirklich eine fuß- und radfreundliche Kommune? – Heidelberg – Nachrichten und Aktuelles – Rhein-Neckar-Zeitung

Hier unsere Stellungnahme:

Ist Heidelbergs AGFK-Auszeichnung zur fuß- und radverkehrsfreundlichen Kommune gerechtfertigt? Auf dem Papier ja, in der Umsetzung nein!

Heidelberg sammelt seit Jahren Auszeichnungen, mit denen sie sich als Vorreiterin in Sachen Förderung von Fuß- und Radverkehr ehren lässt (siehe auch die städtische Webseite Preise und Auszeichnungen für die Stadt | Heidelberg).

Aus Sicht derjenigen, die in Heidelberg mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind, stehen die Auszeichnungen im Gegensatz zu dem, was sie auf der Straße erleben. Die Mobilitätswende lässt sich eben nicht mit Auszeichnungen, ambitionierten Planwerkeni und punktuellen Einzelmaßnahmen vollziehen. Große und mutige Maßnahmen – also solche, die den Fuß- und Radverkehr spürbar begünstigen und gegenüber dem Autoverkehr priorisieren – werden immer wieder vertagt, ausgesetzt oder nur in Ansätzen durchgeführt. Das zögerliche Vorgehen steht nicht nur im Gegensatz zu den Auszeichnungen, es passt auch nicht zu den zahlreichen engagierten Mitarbeitenden im Amt für Mobilität, die den Fuß- und Radverkehr vorantreiben wollen.

Beispielhaft stellen wir nachfolgend einige der Anforderungen an eine AGKF-Auszeichnung und die aktuelle Situation in Heidelberg gegenüber:

Beispiel 1)

Anforderung: Zufußgehen wird als Basismobilität gefördert, beispielsweise durch barrierefreie Gehwege oder auf den Fußverkehr optimierte Ampeln

Aktuelle Situation:

Gehwege: Im Frühsommer 2023 startete die Stadt das Projekt Freie Gehwege, jedoch erst nach Aufforderung durch das Regierungspräsidium Karlsruhe in Folge einer Fachaufsichtsbeschwerde. Nach vereinzelten Maßnahmen im Stadtgebiet kommt das Projekt derzeit nur zögerlich voran. Wie in jeder anderen Stadt führt auch in Heidelberg ein solches Projekt zu lautstarker – oder wie im Beispiel Wieblingen auch aggressiver – Gegenwehr von denen, die ihr Auto weiterhin auf Gehwegen parken wollen. Im Kreuzfeuer stehen in erster Linie die Zuständigen im Amt für Mobilität. Hier bräuchte es einen Oberbürgermeister, der hinter seinem Amt und dem Projekt steht und sich öffentlich zur Priorisierung des Fußverkehrs bekennt. Das tut er aber nicht. Vielmehr bezeichnet er Personen als Denunzianten, die sich nur noch durch eine Anzeige auf ihr Recht auf einen freien Gehweg zu helfen wissen [Gemeinderatssitzung vom 2. Mai 2024 und bezugnehmender RNZ-Artikel], und bremst damit das Projekt aus.

Ampeln: Ampeln sind in Heidelberg auf Autos optimiert. Was Zufußgehende in Heidelberg immer wieder feststellen, belegt der Ampelcheck des VCD (RNZ-Artikel (€) „Sind viele Ampeln in Heidelberg überflüssig?“ vom 19.2.2024).

Beispiel 2)

Anforderung: Ein attraktives Radnetz durch mutige Maßnahmen der Infrastruktur und Flächenumverteilung sowie durch eine durchgehende Führung für den Radverkehr bei der Einrichtung von Baustellen

Aktuelle Situation:

Flächenumverteilung, Beispiel Mittermaierstraße: Fuß- und Radwege in der Mittermaierstraße entsprechen nicht den gesetzlichen Vorgaben, denn sie sind viel zu schmal und damit unattraktiv, unkomfortabel und gefährlich. Im März 2024 legte das Amt für Mobilität dem Gemeinderat eine Planung zur Durchführung des Verkehrsversuchs in der Mittermaierstraße vor. Der Gemeinderat stimmte jedoch für den Vorschlag des Oberbürgermeisters, zur Planung des Verkehrsversuchs einen Arbeitskreis einzurichten. Das ist bis heute nicht geschehen. Die geplante Flächenumverteilung im Rahmen eines Verkehrsversuch scheint auf eine unbestimmte Zukunft vertagt. Die nun auf den äußeren Autospuren prangenden Fahrradpiktogramme sind ohne jeden Vorteil für den Fahrrad- oder Fußverkehr, da die Geschwindigkeit des Autoverkehrs von 50km/h beibehalten wurde. Auch hier erhielt die Stadt Heidelberg Handlungsaufforderungen durch das Regierungspräsidium Karlsruhe.

Baustellen: Bei der Großbaustelle Dossenheimer Landstraße wurde in der Tat ein großer Fokus auf einen sicheren und funktionierenden Fuß- und Radverkehr gelegt. Das ist jedoch bisher die Ausnahme. Jüngste Beispiele, bei denen eine durchgehende Führung für den Radverkehr fehlte, waren Baustellen auf der Mittermaierstraße, Sofienstraße, Monpellierbrücke oder auch dem Kirchheimer Weg.

Beispiel 3)

Anforderung: Mentalitätswechsel und eigenes Commitment, beispielsweise durch mutige Kommunikation der AGFK-Vision 2030ii oder eine lösungsorientierte und experimentierfreudige Umsetzung des Rechtsrahmens: Sicherheit steht vor Leistungsfähigkeit

Aktuelle Situation:

Kommunikation: Weder die AGFK-Visionii 2030 noch die eigenen Projekte zur Förderung des Fuß- und Radverkehrs werden sicht- und wahrnehmbar kommuniziert. Kommunikation aber ist zentral für einen Mentalitätswechsel in der Bevölkerung und diese wiederum unverzichtbar für ein Gelingen der Mobilitätswende.

Lösungsorientierte und experimentierfreudige Umsetzung des Rechtsrahmens: Mithilfe der Novelle der Straßenverkehrsordnung und dem aktuellen Lärmschutzgutachten wird es Heidelberg leicht gemacht, innerstädtisch Tempo 50 flächendeckend und ganztägig durch Tempo 30 zu ersetzen. Stattdessen wird eine Minimallösung angestrebt, bei der auf vielen Straßen Tempo 30 nur nachts gelten soll. Als Hindernis für eine umfassende Lösung wurde u.a. eine Beeinträchtigung des Busfahrplans vorgebracht. Ein Problem wurde erkannt, aber keine Lösung entwickelt. Dabei könnte hier der ÖPNV als wichtiges Element der Verkehrswende gestärkt werden.

Dies sind nur einige Beispiele für eine zögerliche oder sogar fehlende Umsetzung der Stadt Heidelberg. Auch zu Radstrategie, Klimamobilitätsplan, Radschnellwegen, Fahrradabstellplätzen oder Fahrradstraßen ließe sich Ähnliches sagen. Immer wieder zeigt sich eine Problemorientierung der Stadt und eine Priorisierung des Autoverkehrs gegenüber dem Fuß- und Radverkehr.

Die Auszeichnung “Fuß- und radverkehrsfreundliche Kommune” trifft in Heidelberg auf eine andere Realität:

  • Eltern, die ihre Kinder mit dem Rad zur Schule fahren lassen, wird von anderen Eltern Verantwortungslosigkeit und Leichtsinn vorgeworfen.
  • Menschen auf Gehwegen schlängeln sich an parkenden Autos, Rädern und Rollern, an Mülltonnen und Straßenschildern vorbei oder müssen sogar auf die Straße ausweichen.
  • Radfahrende werden regelmäßig von Autos geschnitten, bedrängt oder zu eng überholt.
  • Zufußgehende und Radfahrende geraten miteinander in Konflikt, weil ihnen jeweils zu wenig Platz zugestanden wird.
  • Menschen, die zwar gern Fahrrad fahren würden, sich aber nicht trauen, weil viele Radwege zu unsicher sind oder gar fehlen.

Die AGKF-Auszeichnung ist folglich aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt. Schlimmer noch, sie scheint die Entwicklung zu einer fuß- und radverkehrsfreundlichen Kommune zu behindern, indem sie fälschlich vermittelt, das noch zu Erreichende sei bereits erreicht. Insofern kann die Auszeichnung durchaus als Greenwashing bezeichnet werden.

Nachtrag: Die AGFK muss sich die Kritik gefallen lassen, eine Auszeichnung für fuß- und radfreundliche Kommunen auszuschreiben, für deren Verleihung nicht die tatsächliche Situation auf der Straße, sondern eine Selbsteinschätzung und auf Papier gebannte Absichtserklärungen der befragten Kommunen maßgeblich zu sein scheinen.


i Klimamobilitätsplan, Verkehrsentwicklungsplan, Radstrategie, Projekt „Freie Gehwege“, flächendeckende Ausweitung des Anwohnerparkens, Radschnellwege, um nur einige zu nennen

ii AGFK-Vision 2030: Vorrang für Fuß und Rad: Aktive Mobilität ist so einfach, sicher und bequem, dass Fuß und Rad die erste Wahl sind. Gehen und Radfahren macht Spaß und ist im Alltag ganz selbstverständlich. In AGFK-Kommunen werden mindestens die Hälfte aller Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt. Dafür bekommen sie Platz. Dies ist auch möglich, weil der motorisierte Individualverkehr deutlich abnimmt. Die Menschen sind gesünder und komfortabler unterwegs als mit dem Auto. Dies gewährleistet in besonderem Maße die soziale Teilhabe aller sowie den barrierefreien Zugang zu Mobilität. Bei den Mitgliedskommunen der AGFK-BW steht aktive Mobilität für ein faires Miteinander aller und eine konsequent verfolgte Vision Zero-Strategie. Dazu trägt bei, dass innerorts Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen und außerorts Tempo 70 gilt.

Quelle

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Hauck Heike

Hervorragende Stellungnahme. Endlich wird klar gesagt, dass die Stadt Schönfärberei betreibt und auch der Gemeinderat keinen Mut zur wirklichen Verbesserung der Sicherheit für Ungeschützte zeigt. Vielen Dank an die Mutigen und engagierten Beschützer der Schwächsten im Stadtverkehr. Heike Hauck

Daniel Dragmanli

Dass hier von Seiten der Verantwortlichen Greenwashing betrieben wird, daran kann kein Zweifel bestehen. Allerdings sind nicht die Fahrradfahrer die Schwächsten und „Ungeschützten“ im Straßenverkehr, sondern die Fußgänger (Beispiel: Abenteuerstraße Plöck).
Pedelecs ohne Nummernschild rasen mit 40 km/h ungebremst über rote Ampeln, und junge Leute (auch gern zu zweit und im „Zustand erhöhter Lebensfreude“) räumen auf Mietrollern die Gehwege frei, selbst wenn ein Polizeiauto direkt daneben auf der Straße fährt (natürlich schauen die Beamten dann geflissentlich auf die andere Seite).
An das Gehweg-Halteverbot für Kfz hält sich niemand, wird ja auch nicht geahndet (dann müsste man sich allerdings auch mit DHL, UPS & Co. anlegen).
Fahrradstreifen auf viel zu engen Fahrbahnen (s. Ziegelhäuser Landstraße) werden geflissentlich von allen Verkehrsteilnehmern ignoriert, allenfalls wird ordentlich gehupt, wenn jemand das Risiko eingeht, sie auch vorschriftsgemäß zu benutzen. Dann lieber auf dem Gehweg fahren (mach ich auch so, und mir kommen regelmäßig Mitarbeiter des Ordnungsdienstes entgegen und sagen gar nichts).

Eine noch so sorgfältige Verkehrsplanung ist nur so gut, wie sie auch vor Ort durchgesetzt wird – und wie diejenigen, für die sie gemacht wird. Bei ständig wachsendem Verkehrsaufkommen plus allgemein zunehmender Ellenbogen-Mentalität braucht sich niemand zu wundern, wenn das Chaos langsam, aber sicher um sich greift. Verwunderlich ist hier nur, dass nicht noch mehr Unfälle passieren.

[…] Die ausführliche Kritik vom „Radentscheid Heidelberg“ lesen Sie hier […]

Ulfi

Projekt freie Gehwege!? Ich dachte da eher an e-Scooter, die überall rumfliegen nicht an Autos. Aber wer ideologisch vorgeht vergisst das schnell. 🙂 VG ein Radler

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